: Beamte ohne Munition
■ Ein Mord und zwei Selbstmorde in der Polizei: Beamtennachwuchs werden die Kugeln weggenommen
Jetzt gibt es nichts mehr zum Schießen. Nach mehreren schweren Zwischenfällen, in die Auszubildende zum gehobenen Polizeidienst verwickelt waren, wird nun durchgegriffen. Der Fachbereich Polizei an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung (FHS) hat angeordnet, den dort studierenden JungpolizistInnen die Munition für ihre Dienstwaffen wegzunehmen. Zwei junge Beamte, die an der FHS studierten, hatten in den vergangenen Wochen mit ihren Schusswafffen Selbstmord begangen.
Am 15. September observierte der Polizeibeamte Frank B. (35) seine Ehefrau Monika (34). B. absolvierte gerade als so genannter Aufstiegsbeamter sein Studium zum Kommissar an der FHS. Als seine Frau das Haus ihres Liebhabers in Bramfeld verließ, kam es zum Streit. Frank B. schoss seiner Frau mit der Dienstpistole in den Kopf, danach sich selbst. Beide starben, sie hinterlassen zwei Kinder. Zwei Wochen später, am 29. September, erschießt sich Tobias L. (24). Im Gegensatz zu B., der die polizeiliche Laufbahn durchlaufen hat – Polizeischule, Bereitschaftspolizei, Revierdienst, – gehört L. zu den Seiteneinsteigern. Er war im 4. Semester an der FHS.
Die Fachbereichsleitung reagiert: Die Sprecher der Studiengruppen Direkteinsteiger sowie VertreterInnen der Quereinsteiger aus gemischten Gruppen werden zum Rapport gerufen. Ihnen wird mitgeteilt, dass sie ihre Munition für die Dienstwaffen abzugeben haben und nur zu Schießübungen oder Einsätzen wiederbekommen.
Schon nach einer versuchten Vergewaltigung während eines FHS-Seminars in Bayern vor knapp zwei Jahren wollten Fachbereichsleitung und Polizeiführung den StudentInnen „pädagogische Aufpasser“ für Studienreisen verpassen (taz berichtete). Die FHS-Studierenden waren zudem wegen Hakenkreuzschmierereien an Tafeln in Seminarräumen in die Schlagzeilen gekommen.
Im Polizeiapparat wird die Maßnahme der Fachbereichsleitung trotzdem als völlig überzogen kritisiert. „Da wird viel von Selbstwertgefühl geredet, und dann bekommen sie zu Beginn ihrer Ausbildung suggeriert, wir müssen die Öffentlichkeit und euch selbst vor euch schützen“, heißt es. Viele StudentInnen empfänden die Maßnahme als „entwürdigend“. Zumal sie nicht für die so genannten AufstiegsbeamtInnen gilt, also für Leute wie Frank B. „Bei den Aufstiegsbeamten traut man sich so etwas nicht“, wird von Insidern gemutmaßt. Die Polizeiführung will mit der Maßnahme nichts zu tun haben. „Der Fachbereich Polizei an der Hochschule ist völlig autark“, so Polizeisprecher Reinhard Fallak, „auch wenn die Dienstaufsicht der Behörde untersteht“.
Für Thomas Wüppesahl von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen zeigen die Vorfälle, dass „Hamburg selbst Rambo-Beamte nimmt, die in anderen Bundesländern nicht genommen wurden, um die Quote zu erfüllen. Was allerdings vielmehr gebraucht wird, ist qualifiziertes Personal.“
Kai von Appen
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