: Kein zweiter Steiner fürs Kanzleramt
UN-Botschafter Dieter Kastrup wird nach Steiners Rücktritt der neue außenpolitische Berater des Kanzlers
Noch vor zwei Wochen war sich Dieter Kastrup ziemlich sicher: „Ich selbst komme wohl erst wieder nächstes Jahr nach Deutschland – wenn ich pensioniert werde“, ließ der 64-jährige Diplomat die Wochenzeitung Zeit wissen. Inzwischen hat sich die Perspektive für den deutschen Vertreter bei den Vereinten Nationen deutlich verändert: Er wird wohl schneller in Deutschland sein als angenommen, dafür aber noch lange nicht pensioniert werden. Denn Kastrup wird zum Jahresanfang der neue außenpolitische Chefberater von Bundeskanzler Gerhard Schröder, nachdem Michael Steiner, der bisherige Berater, vorgestern wegen der so genannten Kaviaraffäre zurückgetreten war.
Kastrup gilt als einer der erfahrensten deutschen Diplomaten. Nach der Promotion trat der Jurist 1965 in den auswärtigen Dienst, zu seinen ersten Auslandsposten gehörten Rio de Janeiro, Teheran und Washington. In den 80er-Jahren leitete er eine der beiden politischen Abteilungen des Auswärtigen Amtes mit den Schwerpunkten Europa, Nato und Vereinte Nationen.
Intern gilt Kastrup, dem Schröder die Stelle nach Absprache mit Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) angeboten hatte, als Garant für eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Bundeskanzleramt und Außenamt in der Außenpolitik. In den letzten Jahren hatte es aus fachlichen Gründen und wohl auch aus persönlichen Eitelkeiten immer wieder Probleme gegeben.
Kastrup ist ein Mann, der lieber im Hintergrund wirkt, als sich in die erste Reihe zu drängen. Insider beschreiben ihn als Diplomaten mit Scharfsinn, der „erfreulich uneitel“ sei. Ein offener Mann, dessen trockener Humor festgefahrene Verhandlungen aufbrechen kann.
Neben Kastrup waren auch der jetzige US-Botschafter Wolfgang Ischinger, der Leiter der UN-Abteilung in Berlin, Bernd Mützelburg, sowie Kastrups Stellvertreter in New York, Hans Heinrich Schuhmacher, im Gespräch. Dass Kastrup SPD-Mitglied ist, dürfte aber bei der Wahl kaum eine Rolle gespielt haben.
Bekannt ist Kastrup für sein Verhandlungsgeschick, für das ihm auch die hartgesottensten Partner Respekt zollten. Jahrelang feilschte er beispielsweise mit Alexander Bondarenko vom sowjetischen Außenministerium über die kleinen, aber feinen Details der Einbeziehung der damals geteilten Stadt Berlin in deutsch-sowjetischen Abkommen. Eine zentrale Rolle spielte Kastrup aber vor allem bei den Verhandlungen zur deutschen Einheit. Zusammen mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges verhandelte er in den „Zwei plus vier“-Verträgen die äußeren Fragen der Wiedervereinigung aus.
Dass mit diesen Verträgen die deutsche Geschichte für Kastrup jedoch nicht erledigt ist, zeigt auch sein Engagement in der Frage der Zwangsarbeiterentschädigung: Seit Sommer 2000 ist er Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Für diese Aufgabe erschien ihm New York als optimale Schnittstelle, um zwischen Deutschland und den letzten überlebenden NS-Opfern zu vermitteln. Dafür bleibt ihm jetzt nicht mehr allzu viel Zeit, denn in Berlin wartet eine Aufgabe, die den Berufsroutinier während seiner gesamten Laufbahn verfolgt hat: Deutschland unaufgeregt und ohne Größenwahn in die Weltpolitik zurückzuführen. SUSANNE AMANN
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