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Schlaflos auf’m Lerchenberg

Was macht eigentlich die öffentlich-rechtliche Fernsehunterhaltung? Was sie schon immer am besten konnte: deutsche Klone aus ausländischen Shows basteln und eigene alte Erfolge aufwärmen

von ALEXANDER KÜHN

Gesehen hat Dieter Stolte die jüngste Ausgabe von „Wetten, dass . . .?“ nicht. Doch seine Familie hat ihm erzählt, wie es war. „Gottschalk war an dem Tag offenbar nicht in Höchstform“, sagte der ZDF-Chef der SZ. In der Tat hat sich Gottschalk weit vom unbekümmerten Thommy entfernt. Aber seine Show bringt nach wie vor fette Quoten, und so drohte der blond gelockte Zirkusgaul tags darauf in Bild am Sonntag, er mache weiter, solange er am Flughafen nicht bespuckt werde.

Und auch sonst bemüht sich das ZDF in gewohnt öffentlich-rechtlicher Weitsicht um die Fernsehunterhaltung. Seit September gibt es dafür sogar eine eigene Development-Abteilung. Was dort entwickelt wird, ist allerdings nicht in Erfahrung zu bringen: Die Tüftler waren in den vergangenen Tagen nicht zu erreichen. Aber das ist bestimmt ein gutes Zeichen. Dann wird wenigstens fleißig developt.

Ob wirklich mal was Neues dabei herauskommt? Bisher setzt das ZDF unter seinem ebenfalls seit September amtierenden Unterhaltungschef Manfred Teubner darauf, erfolgreiche Formate anderer Sender zu klonen und eigene Programmschätze noch mal zu heben.

Am 30. Januar wird „Der große Preis“ reanimiert – dort, wo er auch früher seine Heimat hatte, im Atelier 5 der Berliner Union Film. Ohne Wim, Wum und Wendelin, aber mit der bunten Ratewand, drei futuristischen Kandidatenkugeln und „hallo deutschland“-Moderator Marco Schreyl.

Donnerstagslegenden

Ob der mehr Glück hat als Andreas Türck? Mit ihm als neuem Hänschen Rosenthal hatte das ZDF 1995 „Dalli Dalli“ wieder aufgelegt, die andere große Donnerstags-Legende. Halbherzig auf den Nachmittag verbannt, reichte es für gerade mal zwei Jahre. Jörg Kachelmann dagegen brauchte 1998 in der ARD nur drei Ausgaben, um eine Neuauflage von „Einer wird gewinnen“ gegen die Wand zu fahren.

Und jetzt möchte auch Dirk Bach an alte Traditionen anknüpfen. Nur wenige Meter vom „Großen Preis“ entfernt, in Atelier 1, zeichnete er vergangenen Freitag die erste Folge von „Studio Bach“ (Sendetermin: 2. Advent). Auf der Bühne prangen ein kleines b, ein a, c und h aus Glühbirnen. Davor streckt Dirk Bach sein Bäuchlein in Richtung Fotografen und erklärt, was seine neue Sendung riskiert: „Einen sehnsuchtsvollen Blick zurück auf die Variety-Shows der 70er-Jahre“ nämlich. Bitte? – Na, so was wie „Bios Bahnhof“, sagt Dirk Bach, „wo der Alfred wunderbare Dinge um sich gesammelt hat, die er toll fand“. (Bei Dirk Bach sind das zum Auftakt übrigens Nena und Kim Fisher.)

Wenn man Manfred Teubner glaubt, liegt sein Sender mit dem Aufwärmen alter Geschichten voll im Trend: „Gehen Sie mal über die Programm-Messen – da bietet man Ihnen auch ein relaunchtes Format nach dem anderen an“, verschanzt sich der ZDF-Oberunterhalter hinter dem breiten Rücken der allgemeinen Einfallslosigkeit. Und fragt: „Soll man denn nach „Girlscamp und Millionär-Heiratsshow noch einen Schritt weiter gehen und noch mehr Geschmacklosigkeiten bieten? Bei mir gibt es so was nicht.“

Natürlich nicht. Deswegen lässt das ZDF ab kommendem Frühjahr Kinder einen neuen Lebenspartner für ihre bis dato allein erziehenden Mütter und Väter suchen. Am Schluss werden die Erwachsenen dann zum Blind Dinner zusammengeführt. „Mit diesen Hochzeitsshows hat das aber gar nichts zu tun“, erklärt Teubner ganz begeistert. Nein? „Nein, es ist etwas ganz anderes. Sie müssten es sehen, man kann das so nicht erklären.“

Das Original lief übrigens bei der BBC und hieß „Sleepless in South London“, in Mainz wird daraus prosaisch „Halbe Familie sucht“.

Und noch ’ne Show haben Teubner & Co. aus England gekauft: „Dog eats Dog“, das als „Auge um Auge“ ab April auf dem bisherigen „Cash“-Sendeplatz laufen soll und Kai Böcking zur ersten großen Sendung verhilft.

Zur Ehrenrettung des ZDF sei gesagt: Deutschlands Programm-Macher haben schon immer gern im Ausland eingekauft. Beispiel: „Hätten Sie’s gewusst“, von 1958 bis 1969 mit dem biederen Heinz Maegerlein ein Riesenknaller, kam aus den USA und hieß dort „Twenty-one“. RTL hat die Sendung als „Quiz 21“ im vergangenen Jahr mit Hans Meiser aufgewärmt.

Und die ARD? Da bleibt natürlich auch alles beim Alten: Mindestens viermal im Jahr läuft das hauseigene Ersatz-„Wetten, dass . . .?“ namens „Guinness-Show“. Und Cherno Jobatey fragt weiterhin, ob die Zuschauer Spaß verstehen. Die größten Quotengaranten sind sowieso die „Feste der Volksmusik“. Also wird Karl Moik mit ungebrochenem Erfolg weiterstadeln.

Ewig junge „Euro-Show“

Erwartbarerweise präsentiert das Erste im kommenden Jahr immerhin eine neue „Euro-Show“ mit der ewig jungen Desirée Nosbusch. Über das Konzept ist wenig bekannt – vielleicht erwartet uns ja noch eine modernisierte Variante von „EWG“.

Große Überraschungen bleiben also erst mal aus: Ulla Kock am Brinks neuester Show-Versuch („Ich setz’ auf Dich“) flog raus, bevor er überhaupt im Programm war: Nach einer einzigen Testaufführung war schon Schluss, worauf sich ARD-Unterhaltungs-Koordinator Winfried Bonk selbst aus dem Programm nahm.

Nicht, um irgendwo reuig Buße zu tun, sondern um sich ab Januar beim heimatlichen WDR – wieder mehr auf die Unterhaltung zu konzentrieren.

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