KARTELLAMT SOLL KULTURHOHEIT DER LÄNDER SICHERN: Schluss mit dem freien Kabelzugang
Wenn alles versagt, bleibt noch das Bundeskartellamt als Notbremse. Dies scheint die Logik einer bemerkenswerten Allianz aus deutscher Medienaufsicht und TV-Programmveranstaltern zu sein. Sie drängt die Behörde jetzt, die geplante Übernahme von rund 60 Prozent des deutschen Fernseh-Kabelnetzes durch den US-Kabelriesen Liberty Media aus Wettbewerbsgründen zu untersagen.
Die Strategie trägt zwar erste Früchte, aufgehen wird sie aber nicht. Denn Kartellamtspräsident Ulf Böge sieht zwar kaum noch Chancen für den Einstieg der Amerikaner in den deutschen Markt. Doch nicht wegen der Übernahmeabsicht an sich, sondern nur, weil Liberty auch gleich noch bei Leo Kirchs Pay-TV-Abenteuer Premiere World einsteigen will, so die wesenliche Einschränkung. Doch die klingt konstruiert: Das Hin und Her der letzten Wochen über den mal angekündigten und dann wieder abgeblasenen Premiere-Deal zeigt, worum es Liberty hier wirklich geht: um Verhandlungsmasse. Zur Not bleibt der Kirch-Kontakt auf der Strecke.
Dass das Kartellamt jetzt in letzter Minute als Weißer Ritter bemüht und politisch instrumentalisiert wird, deutet aber auf Wesentlicheres hin: Die unter die Kulturhoheit der Länder fallende Medienpolitik nebst angeschlossener Medienaufsicht ist dem globalen Mediengeschäft nicht gewachsen. Schon beim Verkauf des Kabelnetzes durch die Telekom ist die Landeskulturpolitik nicht gegen den Bund angekommen, der als Telekom-Großaktionär am Milliardengeschäft verdient. Jetzt lassen sich die Landesfürsten von Liberty hofieren und buhlen – Berlin und Bayern vorneweg – um Haupt- und Nebenniederlassungen des großen neues Players im zweitgrößten Fernsehmarkt der Welt.
Dass sich Liberty-Chef Malone hierbei auf den deutsche Sonderweg einlässt, Programmanbietern den freien Zugang ins Kabel zu ermöglichen, sollte niemand erwarten. Schon 1998 erschien in den USA ein Buch mit dem schönen Untertitel: „Wie Kabel-Baron John Malone und andere ausgewählte Industriemagnaten eine Zukunft erfanden, die niemand wollte“. STEFFEN GRIMBERG
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