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Ziemlich deutsch

Nach dreijähriger Instandsetzung ist die Alte Nationalgalerie in Berlin wiedereröffnet. Der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gilt sie als Visitenkarte für das Großprojekt zur Sanierung der Museumsinsel

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Hurra! Es ist noch möglich. Ohne Zeit- und Kostenrahmen zu übersteigen, wurde in Berlin ein Museum saniert. Dabei hat die Alte Nationalgalerie von allen Häusern der Museumsinsel das größte Pathos anzubieten. Die bauliche Hülle, die auf die Architekturvision eines dilettierenden Königs zurückging, sprach Kunst und Nation gleichermaßen heilig.

Das war bei der ersten Eröffnung des von Friedrich August Stüler entworfenen Gebäudes vor 125 Jahren verständlich. Die Reichsgründung war nur knapp bewältigt. Lange hatten Kunst und Geschichtsphilosophie den Gedanken von der Nation transportiert, ohne dafür aber eine reale Basis in der Politik zu besitzen. Die Idee einer nationalen Galerie geisterte seit 1848 durch die deutschen Staaten, mal von der Frankfurter Nationalversammlung, mal von der Berliner Akademie, mal von Künstlern getragen. In Berlin stiftete schließlich ein Konsul Wagener seine private Sammlung unter der Auflage, eine nationale Galerie einzurichten. Mit dem prominenten Standort auf der Museumsinsel nahm sich Preußen der Sache an.

Dass der Bundeskanzler zur Wiedereröffnung am gestrigen Sonntag kommen würde, ließ die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schon vor einem Jahr verkünden. Sie braucht solche starken Partner, denn die Sanierung der Insel steht noch am Anfang. In der Baufinanzierung sucht die Stiftung größere Unabhängigkeit von Berlin mit seinen leeren Kassen und wendet sich an den Bund. So wurde der Festakt der Wiedereröffnung genutzt, den Ländern die Museen in Berlin als föderales Projekt schmackhaft zu machen.

Doch Klaus-Dieter Lehmann, der Stiftungspräsident, und Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Museen, fahren dabei legitimatorische Geschütze auf, die den Rest der Republik eher misstrauisch werden lassen. Dass in einem Fries des Treppenhauses König Ludwig von Bayern und König Friedrich Wilhelm IV. auf einem Thron nebeneinander sitzen, nennt man jetzt eine föderale Gründungsurkunde. Die Rhetorik geht mit den Herren durch und das ist schade. Denn die politische Instrumentalisierung überschattet das Vergnügen, den vielen Facetten des 19. Jahrhunderts zwischen Romantik und Realismus wieder zu begegnen.

Schuster erklärt das Museum gar „zu einem Ort der Neubesinnung der Deutschen, was sie als Nation sind.“ Doch nimmt man ihn wörtlich und fragt die Bilder, wer die „Deutschen“ denn im 19. Jahrhundert waren, fällt die Antwort fast ironisch aus: Sie waren fast nie, wer sie sein wollten. Das findet man in den Bildern der Nazarener und später der Deutschrömer Böcklin, Feuerbach und von Marées, die ihre Ideale nur außerhalb der Gegenwart und nur vor einer klassizistischen Kulisse artikulieren konnten.

Das Unglück mit dem Deutschsein setzt sich fort in den Bildern der romantischen Künstler, für die zwei neue Säle im Obergeschoss des Museums eingebaut wurden. Die Melancholie im Werk von Caspar David Friedrich fand ein so weites Echo vor dem Hintergrund des politischen Stillstandes in der Zeit der Restauration. Bei Spitzweg und Hasenclever begegnet uns etwas später der brave Bürger, der fast nie anders denn als philiströs überzeichnete Karikatur aufs Blatt kam. Nur die süddeutschen Maler Leibl und Thoma steuerten ein paar zufriedene Gesichter bei.

Das klingt alles ziemlich deutsch: Die Sammlungsgeschichte ist über weite Strecken von der Konkurrenz der Kunststädte Berlin und München geprägt und von den Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und den Direktoren. Zur Wiedereröffnung ist eine ganze Latte von Katalogen und Museumsführern erschienen. Das Einzige, was fehlt, ist ein Buch über die Bilder, die man glücklich wieder loswurde, wie viele der anfangs in Auftrag gegebenen Historien- und Schlachtenbilder.

Weil Berlin außer Hauptstadtfunktion und Geschichte nicht viel zu bieten hat, wird der Stadt gern ein übertriebenes Wuchern mit dem Pfund der Vergangenheit unterstellt. Das Spektakel um Schröder in der Alten Nationalgalerie liest sich dann gleich wie ein Rückfall in den Pomp der Kaiserzeit. Von solch einer unkritischen Rekonstruktion ist das Haus aber weit entfernt.

Hugo von Tschudi sei Dank, die Sammlung kann auch sehr schöne Szenen von Degas und Manet, Skulpturen von Rodin und Landschaften von Cézanne vorweisen. Tschudi, der diese Werke gegen kaiserlichen Widerstand in das Haus brachte, gilt heute als der größte Held in der Museumsgeschichte. Bereitete er doch vor, sich als nationales Fenster mit Blick auf die internationale Kunst zu verstehen. In diesem Sinn hat die Nationalgalerie in der Nachkriegszeit in Westberlin weitergearbeitet.

Doch die Stärke der Sammlung liegt auch in ihrem Lokalkolorit und in ihrer Intimität: dass sich bei Krüger, Gaertner und Hummel Berliner Schauplätze finden, um die heute wieder gestritten wird, wie der Schlossplatz und die Bauakademie; oder dass von Schinkel, Blechen, Liebermann und Menzel neben ihren Hauptwerken in den großen Sälen viele Studien in den kleinen Kabinetten zu sehen sind, die den Malern noch als Experiment galten und öffentlich nicht gezeigt wurden. So bildet sich in der Alten Nationalgalerie, trotz der regionalen Beschränkungen, keine eindimensionale Geschichte des 19. Jahrhunderts ab. Und schon gar keine Verklärung der Nation.

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