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Letzte Klappe für Kinowelt

Warner war ihr Schicksal: Nach Kündigung eines Millionenkredits beantragt die Rechtehandels-AG jetzt Insolvenz und streitet sich mit der Bank

„Kinowelt Home Entertainment nicht betroffen“, stand vorige Woche noch tröstend auf der Homepage der von der Insolvenz bedrohten Kinowelt Media AG über deren Video- und DVD-Verkaufssparte. Das bleibt auch so. Doch die Konzernmutter und ihre Rechtehandelstochter Kinowelt Lizenzverwertungs GmbH haben gestern beim Amtsgericht München die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt.

Vorsorglich, wie das Unternehmen betont: „Der Geschäftsbetrieb in den betroffenen Gesellschaften läuft voll umfänglich weiter.“ Weil die niederländische Bank ABN Amro zum 28. November einen Kredit über 70 Millionen Euro gekündigt hatte, steht der einstige Liebling am Neuen Markt vor dem Aus (siehe taz vom 27. 11.): Nachverhandlungen mit der Bank hatten „zu keinem Ergebnis geführt“, so das Unternehmen.

Dabei sah anfangs alles nach einer viel versprechenden Partnerschaft aus: ABN Amro hatte der Kinowelt AG ihren bislang spektakulärsten Deal in Hollywood finanziert: Im Sommer 1999 kaufte Kinowelt-Chef Michael Kölmel für 300 Millionen Dollar ein Rechtepaket vom Studioriesen Warner Bros. Die 245 Spielfilme und rund 600 Stunden TV-Programm sollten der endgültige Durchbruch für die vom kleinen Filmverleih zum Medienkonzern aufgestiegenen AG werden. In einer „anderen Liga“ werde man nun spielen, so damals Kölmel. In Sachen Rechtehandel sollte zu den Marktführern Kirch und Kloiber aufgeschlossen werden.

Doch der Preis war offenbar zu hoch: Schon früh hieß es in der Branche, Kinowelt habe zu teuer eingekauft, da das Filmpaket neben einigen Blockbustern viel zu viel Durchschnitt enthalte. Außerdem tappte Kinowelt als klassischer Zwischenhändler in die Nachfragefalle. Bertelsmann und Kirch, die selbst hinter dem Warner-Paket her waren, boykottierten mit ihren Sendern das neue Kinowelt-Programmangebot. Damit war für Kölmel der Absatz im deutschen Privatfernsehmarkt praktisch gleich null. Und auch ARD und ZDF griffen wegen der hohen Preise nicht zu, wie erhofft.

Im vergangenen Herbst kündigte sich dann die Pleite an: Weil Kinowelt mit den Raten für das Filmpaket nicht mehr nachkam, kündigte Warner Bros., Teil des weltweit größten Medienkonzerns AOL Time Warner, den Bezugsvertrag. Pech für ABN Amro: Laut Financial Times Deutschland bestanden die Sicherheiten für den Millionenkredit an Kinowelt – fast ausschließlich aus jenem Filmpaket. Und Kölmel wirft der Bank nun vor, die Insolvenz mutwillig herbeigeführt zu haben, um sich so eine bessere Position in der Auseinandersetzung mit AOL Time Warner zu erschaffen.

Doch nicht nur der Warner-Deal überschattete das Unternehmen. „Das Überleben der Gesellschaft ist nicht gesichert“, hatte schon der Halbjahresbericht 2001 nüchtern festgestellt: Bis September machte Kinowelt über 300 Millionen Euro Verlust, der Umsatz ging zurück, die Zahl der Mitarbeiter sank um ein Fünftel auf knapp 800.

Ob es zur Wiedergeburt nach dem Kinowelt-Untergang kommt, ist ungewiss. Auf der Unternehmenswebsite www.kinowelt.de fand sich gestern immerhin ein Hinweis: „Hilfe, ich bin ein Fisch“, warb dort ein blaues Meerestier.

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