: Sammeln für den Schlossbau
Der Wiederaufbau der barocken Schlossfassaden ist beschlossene Sache. Doch wer soll das ganze zahlen? SPD und PDS wollen keine Landesmittel geben, und auch im Bund regt sich erster Widerstand
von UWE RADA
Spätestens seit gestern weiß Wilhelm von Boddien, dass schwere Zeiten vor ihm liegen. Sechs Millionen Mark hat der Vorsitzende des Fördervereins Berliner Stadtschloss bereits für den Wiederaufbau seines Lieblingsgebäudes gesammelt. Doch ganz so billig ist die barocke Fassadenkopie samt Schlüterhof und preußischem Drumherum nicht zu haben. Auf etwa 1,5 Milliarden Mark schätzte am Donnerstag Hannes Swoboda, der Vorsitzende der Expertenkommission Historische Mitte Berlin, die Kosten für das neue Stadtschloss. Das sind 250 Mal mehr als das, was private Anleger bisher in die Aktion von „Schlossherr“ Boddien investiert haben.
Dass sich von Boddien nun schnellstens nach neuen Spendern umschauen muss, hat auch mit der Entscheidung der Expertenkommission zu tun, den größten Teil der Schlossfassaden in ihrer barocken Form wiederaufzubauen. Offen blieb nur die Gestaltung der Ostfassade, der Palast der Republik soll allerdings nicht in das neue Gebäude integriert werden. (siehe unten)
Damit hat die Kommission nach der Einigung über die Nutzung und die städtebauliche Einordnung eines neuen Gebäudes die wohl umstrittenste Entscheidung in der nahezu ein Jahrzehnt dauernden Debatte gefällt. Doch die wichtigste Frage – die Finanzierung des Ganzen – soll erst auf der letzten Kommissionssitzung im Januar behandelt werden. Das betrifft vor allem den Anteil, den die öffentliche Hand für das Schlossareal aufbringen soll.
Gelder von privaten Spendern, griff Swoboda der Januarsitzung schon einmal vor, gehörten ebenso zur Finanzierung wie die Beteiligung des Landes und des Bundes. Auch der geplante Bau der Schlossfreiheit sowie der Rückbau der Breiten Straße würden durch Grundstücksverkäufe Geld für das Schlossprojekt einbringen. Doch das, so Swoboda, könne nicht der einzige Beitrag des Landes sein.
Damit reagierte der Vorsitzende der Expertenkommission diplomatisch zurückhaltend auf einen Beschluss der rot-roten Koalitionäre, bis zum Jahr 2006 keine Landesmittel für die Finanzierung des Schlossplatzes aufbringen zu wollen. Ebenso diplomatisch hatte die rot-rote Verhandlungskommission auch auf eine förmliche Entscheidung in der Frage Schloss oder nicht Schloss verzichtet. Man wolle erst eine Entscheidung der Expertenkommission abwarten, lautete die verabredete Sprachregelung.
Zwar erklärte Swoboda gestern, die finanzielle Situation Berlins sei kein Argument, um das Konzept grundsätzlich über den Haufen zu werfen, vielmehr eine Detailfrage. Mit seiner Aussage, dass es sich beim Wiederaufbau des Schlosses um eine Aufgabe von nationaler Bedeutung handle, zielte Swoboda dennoch eher in Richtung des Bundes. Immerhin sitzt dort mit Bundeskanzler Gerhard Schröder ein erklärter Schlossfan.
Doch auch im Bund gibt es bereits Widerstände. In einer Presseerklärung feuerte gestern der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und jetzige Präsident der Bundesarchitektenkammer Peter Conradi wahre Gefechtssalven gegen die „mutlose und rückwärtsgewandte Entscheidung“ ab. Conradis Fazit: „Die Steuerzahler im Rheinland und in Hessen, in Bayern und Thüringen, in Baden-Württemberg und Sachsen würden es nicht verstehen, wenn Berlin sein Schloss aus Steuermitteln des Bundes bezahlen ließe.“
Ganz anders sieht das bislang nur die CDU, die ein Schloss sogar um jeden Preis haben möchte. Das CDU-Landesausschussmitglied Markus Roscher kündigte gestern sogar eine Volksabstimmung an. „Ich bin mir sicher“, sagte Roscher, „dass die Berliner und Berlinerinnen zu ihrer Geschichte stehen und ihr Schloss wiederhaben wollen.“ Vielleicht sollte Roscher ihnen mit der Volksbefragung gleich einen Überweisungsschein in die Hand drücken.
Unabhängig von den Finanzierungsfragen kündigte Swoboda unterdessen die Auslobung eines Realisierungswettbewerbs an. Dieser könne nach Beendigung der archäologischen Grabungen 2003 abgeschlossen werden. Der Bau könne dann 2004 beginnen. Insgesamt, so schätzt er, solle der Schlossplatz spätestens in zehn Jahren bebaut sein.
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