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Jetzt zwei echte KandidatInnen

Kaum überholt die Union die SPD in der Umfragegunst, melden Edmund Stoiber und Angela Merkel ihren Willen zur Kanzlerschaft an. Der CSU-Chef hat sich mit Ministerpräsidenten abgesprochen, Merkel lässt sich in einer Talkshow auffordern

von CHRISTIAN FÜLLER

Die Union ist eine christliche Partei, von daher weiß sie, was sich zu Weihnachten gehört: ein Geschenk. CDU und CSU wollten die WählerInnen offenbar mit dem bescheren, was diese mehr oder weniger brennend interessiert: wer im kommenden September mit Gerhard Schröder um die Kanzlerschaft ringt. Allerdings überbringt die Union gleich zwei KandidatInnen: einen Möchtegernkanzler Edmund Stoiber (CSU) und eine kampfbereite Angela Merkel (CDU), die sogleich bestätigt hat, „dass ich es auch werden will“.

Damit ist offen erklärt, was alle irgendwie wissen: Edmund Stoiber und Angela Merkel wollen deutscheR RegierungschefIn werden. Feste Absicht der Union war es bislang, die offizielle Ausrufung der oder des Herausfordernden für Bundeskanzler Schröder (SPD) bis Februar oder gar März hinauszuzögern. Möglicherweise kommt es nun zu einer Kampfkandidatur.

Die Weihnachtsoffenbarung war ein Pingpong journalistischer CDU-Türsteher. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wusste, das Stoiber bei den Kamingesprächen zwischen Ministerpräsidenten und Kanzler gegenüber mehreren CDU-Kollegen erstmals seinen Willen zur Macht im Bund bekundet hatte. Nicht genannte CDUler hätten sich daraufhin zufrieden gezeigt, weil sie endlich auf den Südstaatler bauen könnten. Nun stelle sich nur noch die Frage, wer die CDU-Vorsitzende zum Verzicht überrede, orakelten Granden der Partei.

Lange mussten sie nicht grübeln, denn die Chefin parierte Stoibers Antrag. Sie wisse schon, dass Stoiber Kanzler werden wolle, sagte Merkel, aber sie, die Vorsitzende der CDU, wolle es eben auch. Mehr war der Mecklenburgerin nicht zu entlocken. Schon grübelten die Unions-Auguren wieder über Stoiber. Seine Aussagen seien widersprüchlich. Folgsam sagte der Ministerpräsident der ARD: „Ich will doch nicht weg!“ – und das vor seiner Wohnung in Wolfratshausen.

Die Vorhersagen über die Ränkespiele zwischen dem Berliner Adenauer-Haus und der CSU-Zentrale in Münchens Nymphenburger Straße wären nicht der Rede wert, wenn nicht eine neue Meinungsumfrage die Union wieder für regierungsfähig erklärt hätte. Das Forschungsinstitut Dimap will ermittelt haben, dass bei der Sonntagsfrage 38 Prozent der WählerInnen für die Union und nur 37 Prozent für die SPD stimmen würden. Erstmals seit 1999 liegt die Union bei Dimap wieder vor der SPD. Die FDP wäre mit 8 Prozent knapp vor Grünen und PDS (jeweils 7 Prozent).

Nach der Kandidatenvorauswahl und den neuen Umfragen äußerten sich sofort Hilfstruppen für ihren jeweiligen Favoriten in der Union. Die Industrie stünde hinter einem Kandidaten Stoiber, erklärten Wirtschaftskreise – leider ohne Namensnennung. Da hat es Merkel schon besser. Für sie wirft sich eine Frau in die Bresche. „Sie haben es verdient“, fordert die Schauspielerin Jutta Speidel („Drei sind einer zuviel“) Angie ganz offen zur Kandidatur auf. Und dabei, so Speidel in der Talk-Show Riverboat (kommenden Freitag, MDR), habe sie „noch nie CDU gewählt“.

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