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Apartheid aus Angst

Terror, Krieg und Drogen aus Afghanistan erschweren das Leben der größten Minderheit in der Volksrepublik China

aus Peking GEORG BLUME und KRISTIN KUPFER

Bei der Arbeit am selbst gebauten Ofen trägt der Pekinger Bäcker Ke Limu eine bunt bestickte muslimische Dopa auf dem Kopf. „Es gibt immer gute und schlechte Menschen, auch unter Uiguren und Chinesen“, sinniert Ke, während er Wasser auf die Glut sprenkelt. Im Ofen backt Nang, das flache Brot der Uiguren, einem Turkvolk in Zentralasien. Vor zwanzig Jahren ist Ke als Vater von sechs Kindern aus Urumqi, der Hauptstadt von Chinas nordöstlichster Provinz Xinjiang, nach Peking gekommen. „Leute, die etwas Schlechtes gemacht haben, werden bestraft, wie die Taliban“, sagt Ke und deckt den Ofen mit einer runden Eisenplatte ab. Damit ist das Thema Afghanistan für ihn erledigt.

Doch nicht für alle der rund acht Millionen in China lebenden Uiguren. Sie stellen die größte ethnische Minderheit in der Volksrepublik dar und sind unter dem Eindruck des Afghanistankrieges hin- und hergerissen zwischen muslimischen Brüdern, chinesischen Landsleuten und westlichen Bestrafern.

„Ich bin enttäuscht von der chinesischen Regierung, die sich einfach mit den USA verbündet hat“, empört sich Ya Senjiang, ein 18-jähriger Uigure aus Xinjiang, der in Peking Chinesisch studiert. „China hätte lieber Soldaten zur Unterstützung unserer afghanischen Brüder schicken sollen.“

Doch daran dachte Peking gar nicht. Stattdessen nutzte es die Anti-Terror-Koalition mit den USA, um in ihrem Schatten verstärkt gegen muslimische „Unruhestifter“ in Xinjiang vorzugehen. So will der Zentralstaat den Kern einer drohenden uigurisch-muslimischen Unabhängigkeitsbewegung vernichten.

„Die Mehrheit der Separatisten sind in terroristische Aktivitäten verwickelt“, glaubt der Vizevorsitzende der Pekinger Entwicklungsplanungskommission, Zhang Guobao. Vizepremier Qian Qichen geht unterdessen davon aus, dass annähernd tausend uigurische Unabhängigkeitskämpfer im Netzwerk Ussama Bin Ladens in Afghanistan eine militärische Ausbildung erhielten. Zwei von ihnen befinden sich als Kriegsgefangene der Nordallianz in afghanischer Haft – wie zum Beweis für die chinesischen Anschuldigungen.

Doch Beweise und klare Ziele sind für chinesische Anti-Terror-Maßnahmen genauso wenig nötig wie für amerikanische. Schon im Oktober hob die Polizei in Urumqi zehn „terrorististische Gruppen“ aus und verhaftete 210 „Separatisten, mutmaßliche kriminelle Terroristen und religiöse Extremisten“. Kurz darauf wurden in Xinjiang fünf „Separatisten“ zum Tode und sieben andere zu Gefängnisstrafen verurteilt. „Seit der Tragödie in den USA nutzt die chinesische Regierung die Gelegenheit, um mehr Uiguren zu töten und ins Gefängnis zu stecken“, glaubt der in den USA lebende Ablajan Laylinaman, Vorsitzender der uigurischen Menschenrechtsorganisation Taklamakan.

Pekings Vorgehen hat Methode. Im Rahmen der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“, der neben China auch Russland, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan angehören, versucht die chinesischen Regierung seit etwa einem Jahr die grenzübergreifende Geheimdienstarbeit in Zentralasien auszubauen. Einziges Ziel ist die Bekämpfung des radikalen Islamismus. Für den 7. Januar hat die chinesische Regierung wieder ein Treffen der Gruppe angesetzt, auf dem über die Zukunft Afghanistans, des „Kriegs gegen den Terrorismus“ und, natürlich, über den Kampf gegen religiösen Extremismus, Separatismus und Terrorismus in den einzelnen Mitgliedsstaaten gesprochen werden soll.

Zugleich versucht Peking, die Mehrheit der Uiguren in Xinjiang mit wirtschaftlichen Maßnahmen hinter sich zu scharen. Im Rahmen des Projekts „Die westlichen Provinzen erschließen“ sind letztes Jahr rund 70 Prozent der staatlichen Direktinvestitionen in Chinas Nordwesten geflossen. Ebenso groß ist derzeit der Anteil ausländischer Anleihen für Infrastrukturprojekte in der Region. Xinjiang gilt aufgrund seiner Öl- und Gasreserven, seine Kupfer- und Goldvorkommen als reiche Provinz. Trauben aus Turfan und Honigmelonen aus Hami sind in ganz China beliebt.

Auch der forsche Student Ya berichtet, dass seine Eltern wie viele Uiguren in Xinjiang am chinesischen Wirtschaftsaufschwung teilgenommen haben. „Es geht uns viel besser als vor zehn Jahren: Wir haben jetzt einen Fernseher, Telefon, eine Waschmaschine, einen Traktor und ein Motorrad“, erzählt er stolz. Doch weiter kommen die meisten nicht. Eine inoffizielle Apartheid sorgt dafür, dass den Uiguren in aller Regel der Zugang zu lukrativen Posten in Wirtschaft und Verwaltung versperrt bleibt. Deshalb kommen viele wie Bäcker Ke nach Peking, um Geschäfte zu machen und Geld zu verdienen. Und einige wenige sind zu Bin Laden gegangen.

„Viele Chinesen verachten neuerdings die Uiguren“, sorgt sich Gu Lizhen, eine uigurische Köchin in Peking. Sie führt das Unbehagen auf Bin Laden und den wachsenden Drogenhandel zurück, der über Afghanistan und Xinjiang Peking erreicht. „Früher haben uns die Chinesen als Nachbarn mit ihren Sachen beschenkt, heute halten sie ihre Handtaschen fest, wenn einer von uns in den Bus steigt“, beobachtet Gu. Auch in China sind schwere Zeiten für islamische Mitbürger angebrochen.

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