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„Ein radikaler irischer Geldschein“

Interview von RALF SOTSCHECK

taz: Bobby Ballagh, Sie haben die letzten irischen Banknoten entworfen. War Ihnen das damals schon klar?

Bobby Ballagh: Anfangs, 1992, war noch keine Rede vom Euro. Aber die fünf Scheine wurden ja über vier Jahre verteilt herausgegeben, der 100-Pfund- Schein kam Ende 1996 heraus. Da wusste ich bereits, dass die Tage meines Geldes gezählt waren.

Sie sind politisch und kulturell sehr aktiv. Warum hat die irische Zentralbank das Geld von einem Linksradikalen entwerfen lassen?

Das haben sich viele gefragt. Ich wurde damals wegen meiner Aktivitäten vom Verfassungsschutz überwacht und schikaniert. Plötzlich bekam ich den Auftrag von der Zentralbank. Der Grund: Dem Komitee, das die Entscheidung traf, lagen nur anonyme Entwürfe der Bewerber vor. Es war also ein fairer Wettbewerb.

Auf den Scheinen sind eine Nonne, drei Politiker und James Joyce abgebildet. Durften Sie bei der Auswahl mitreden?

Nein, ich hätte andere Leute genommen, zum Beispiel den Gewerkschaftschef Jim Larkin oder James Connolly, einen der Führer des Osteraufstands. Aber insgesamt ist die Auswahl okay.

Wie war die Zusammenarbeit mit der Bank?

Im ersten Paragrafen des Vertrages ist festgelegt, dass ich keine Tantiemen bekomme. Schade: Die Zentralbank druckt 27 Millionen Banknoten jede Woche, und wenn ich nur einen halben Penny Tantienem bekommen hätte ... aber im Ernst: Die Zusammenarbeit war angenehm. Man warnte mich allerdings davor, irgendeine versteckte Botschaft oder meine Signatur unterzubringen. Es gab aber keine politische Zensur. Die beiden in Auszügen reproduzierten Schriftstücke auf der Rückseite der 20-Pfund-Note und der 100-Pfund-Note sind radikale Dokumente des irischen Kampfes für Unabhängigkeit. Ich war überrascht, dass ich das durchbekam.

In Irland wird es auch nach dem 1. Januar nach wie vor zwei Währungen geben: Im Norden muss man weiterhin mit Pfund Sterling bezahlen.

Wenn der Euro funktioniert, was ich nicht abschätzen kann, wird Großbritannien ihn auch übernehmen. Der britische Kapitalismus hat ihn ja bereits übernommen. Meine britischen Kunden haben mir geschrieben, ich solle meine Rechnungen ab Januar in Euro ausstellen, und die großen Kaufhäuser in Britannien akzeptieren den Euro auch ab Januar. Die Labour Party und die Tories schwätzen, aber das Kapital entscheidet.

Sie haben auch einen Vorschlag für die Euroscheine eingereicht. Wie sah dieser denn aus?

Jedes Euro-Land hat ein Design eingereicht, und auch die Bank of England. Sämtliche Künstler mussten Verträge unterschreiben, dass ihre Vorschläge geheim bleiben. Dadurch soll verhindert werden, dass in der Bevölkerung eine Diskussion darüber einsetzt. Ich finde, es gab mindestens sechs bessere Entwürfe als den österreichischen, der schließlich genommen wurde. Vor allem die französische Bewerbung hat mir gut gefallen.

Hatten Sie freie Hand bei der Gestaltung?

Nein, überhaupt nicht. Das war sehr deprimierend. Es durften keine Motive auftauchen, die länder- oder geschlechtsspezifisch sind. Ein Renaissance-Fenster durfte zum Beispiel nur dann verwendet werden, wenn es in Wirklichkeit nicht existierte. Da blieb nicht mehr viel übrig. Wir waren sehr enttäuscht. Gerade die kulturellen Errungenschaften Europas sollten auf den Geldscheinen doch gewürdigt werden. Da Vinci, Shakespeare, Beethoven oder Joyce überwinden in ihren Werken doch die engen Grenzen ihrer Nationalität. Die neuen Geldscheine brüskieren zwar niemanden, aber sie können künstlerisch auch nicht erfreuen.

Sie haben einen Euro-Entwurf eingereicht. Heißt das, Sie sind Anhänger der neuen Währung?

Aber nein. Politisch halte ich dieses Projekt für sehr fragwürdig. Aber die Europäische Zentralbank hat mich ausgezeichnet bezahlt. Allerdings musste ich dafür auch hart arbeiten: Ich hatte sechs Monate, um für jeden der sieben Scheine zwei Entwürfe anzufertigen. Beim irischen Geld hatte ich sechs Monate Zeit für jeden Schein.

Waren die irischen Banknoten der wichtigste Auftrag Ihrer Karriere?

Nein. Ich habe im Auftrag von Sinn Féin gerade ein Bild für Fidel Castro mit persönlicher Widmung fertiggestellt. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams hat es ihm am Wochenende in Havanna überreicht.

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