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Der zusammengeschnorrte Spot

Christin Kappes und Ralf Krämer drehen Werbefilme für soziale Projekte von Berliner Kleinorganisationen. Damit verdienen die Nachwuchs-Cineasten zwar kein Geld, dafür lassen sich aber jede Menge Profis zur kostenlosen Mitarbeit begeistern

von TILMAN GÜNTHER

Der Rechner und das Telefon sind zwischen den Papieren und Kleidungsstücken nur schwer auszumachen. Zu größeren Besprechungen muss die Küche herhalten. Kaum zu glauben, dass von ihrem improvisierten Büro aus Christin Kappes und Ralf Krämer gestartet sind, Filme zu produzieren: richtige Streifen, Werbefilme der ersten Güte, die im Kino zu sehen sind, vier Kinospots mit einer Gesamtlänge von zirka fünf Minuten. Und mit den Filmen von „Kappes und Krämers karitativem Kino-Kurzfilm Projekt“, kurzerhand „K-Projekt“ genannt, war ein Stab von über 30 größtenteils professionellen Technikern, Darstellern und Helfern beschäftigt. Ungewöhnlich für die Spots ist zudem, dass sie für Organisationen werben, die sonst kaum Geld für ihre Selbstdarstellung haben: der Kinderrechtsverein „Krätzä“, der Tauschring Friedrichshain oder das Pfefferwerk, allesamt soziale Kleinorganisationen in der Stadt.

Begonnen hatte alles mit dem Traum der beiden jungen Cineasten, Filme zu drehen. Hinzu kamen eine Portion Glück und Cleverness. Denn anstatt sich mit ihrem sozialen Engagement von Filmproduzenten abweisen zu lassen, versuchten es die beiden auf einem anderen Weg. Das Vorhaben sollte mit „Local social capital“ realisiert werden.

Dazu beantragten Krämer und Kappes Projektförderung in Brüssel. Mit Erfolg. Aus dem Sozialfonds bewilligte 2001 die EU für das „K-Konzept“ 20.000 Mark – eine Basisfinanzierung, mehr jedoch nicht, wie beide heute sagen. Doch die Social Spots sollten es mit der Perfektion kommerzieller Kinowerbung aufnehmen, nicht zuletzt darum, um dem ästethetisch verwöhnten Kinopublikum die Sozialarbeit schmackhaft zu machen. „Man kann mit einer x-beliebigen Summe Filme machen“, fasst Christin Kappes die Erfahrung als Produzentin zusammen, „je nachdem welche Leute man kennt und wie viel Material man zusammenschnorrt.“

Man kannte welche. Während zwei Spots auf Video aufgenommen wurden, konnten die beiden anderen Filme mit 35-Millimeter-Material realisiert werden, „weil der Kameramann uns das Filmmaterial geschenkt hat. Die Rollen hätten eigentlich einige Tausend Mark gekostet.“

Mit Hannes Hubach war einer der renommiertesten deutschen Kameramänner gewonnen worden, dem die Spots zwischen den Dreharbeiten zu „Emil und die Detektive“ und einer Hollywoodproduktion eine willkommene Abwechslung boten. „Ich fand das Projekt interessant und Christins Energie und Hartnäckigkeit faszinierend“, meint Hubach, der den Musikclip „Dannis Welt“ in Szene setzte, bei dem die Mädchenband „Lunatic“ den Aufstand gegen die gesellschaftlichen Zwänge junger Frauen probt. Die Geschichte ist nicht ganz neu angesichts einer Vielzahl thematisch ähnlicher Musikclips. Die Rebellion von Danni und ihren Freundinnen hingegen war authentisch. Sie hatten auf der Straße gelebt und wohnen jetzt in einem betreuten Wohnprojekt des Pfefferwerks. Die Musik zu „Dannis Welt“ wurde in den legendären Hansa-Studios eingespielt, wo schon David Bowie und U2 produziert haben.

Durch die ansteckende Begeisterung von Prominenten konnten noch andere Profis gewonnen werden. Der Schauspieler Norbert Losch, der bereits in Filmen von Fellini und Helge Schneider mitwirkte, gab für das K-Projekt einen Aufseher in „Gnade der Nahrung“ – einer Satire auf das Bildungswesen. Dazu leihte Joachim Kerzel, der sonst im Off Hannibal Lector und Jack Nickolson sychronisiert, seine Stimme. Und alles für umsonst, genau wie der Negativschnitt, die Entwicklung und Tonherstellung. Verdient haben Kappes und Krämer nichts, aber alle hatten ihren Gewinn: die Macher, die Helfer und die sozialen Projekte, deren Spots nun in den Werbeblöcken der Berliner Kinos laufen.

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