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Eine Frau räumt auf

Wie eine junge Berlinerin hilft, eines der größten Probleme Afghanistans zu lösen: die Minen- und Blindgängergefahr

Vera Bohle ist seit Mittwoch in Afghanistan. Ihre Mission: Sie soll in Herat afghanische Minenräumer ausbilden.

Bestückt mit Trekkinghose, Schutzhelm und Splitterweste zeigt die einzige deutsche Minenräumerin ihren männlichen afghanischen Kollegen wie man amerikanische Streubomben entschärft. Im Mittelpunkt steht der Umgang mit den Detektoren, die Blindgänger ausfindig machen. Außerdem erklärt sie, wie man sich an die Bombe heranschleicht und sie zerstört.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Vera Bohle auf ein so waghalsiges Abenteuer einlässt. In den letzten Jahren war sie bereits im Kosovo, in Albanien, Bosnien und Mosambik. So unsicher wie in Aghanistan hat sie sich aber noch nie gefühlt. „Bisher stand ich immer an der Spitze eines Teams und hatte mein Schicksal selbst in der Hand“, sagte sie der taz. Jetzt, als Ausbilderin der Minenräumer, könne sie nur zuschauen und hoffen, dass keiner etwas falsch macht. Ein gewisses „Unbehagen“ und „Ausgeliefertsein“ empfindet sie deshalb, wenn sie ihren Schützlingen über die Schultern schaut, während die sich an den Blindgängern zu schaffen machen.

Geübt wird zunächst auf einem Trainingsgelände neben dem verseuchten Feld. Dann, nur ein paar Stunden später, geht Bohle mit ihrem 32-köpfigen Ausbildungsteam bereits auf die Bombenfelder. Bei dieser sehr kurzen Ausbildung ist „Unbehagen“ durchaus begründet.

Die Motivation für ihren ungewöhnlichen Job hatte sich aus ihrer vorherigen Tätigkeit ergeben. Vera Bohle war TV-Cutterin. Irgendwann hatte sie es satt, nur zu berichten und nicht handeln zu können. Deswegen und weil ihr das Leid der zahllosen Bombenopfer nahe ging, machte sie mit 29 Jahren eine Ausbildung an der Sprengschule in Dresden.

Das Projekt, in dessen Rahmen die mittlerweile 32-jährige Minenräumerin nach Aghanistan kam, ist zunächst auf sechs Wochen angelegt – organisiert von der Hilfsorganisation Help und finanziert vom Auswärtigen Amt. Zur Zeit ist sie zwar allein, aber bereits nächste Woche, so Bohle, erhalte sie Hilfe von einem englischen Minenräumer. Diese Unterstützung ist dringend notwendig. In Afghanistan sind viele Millionen Quadratmeter minen- und bombenverseucht. Es habe bereits Anfragen gegeben, ob sie ihre Tätigkeit verlängern könne, sagt Bohle.

Bevor sie nach Afghanistan kam, machte Vera Bohle ein ganz anderes Problem zu schaffen. „Große Bauchschmerzen“ habe sie gehabt. Angst, dass sie von den Afghanen nicht akzeptiert wird. „Hier in Herat laufen sie alle mit Burka herum. Ich habe ein echtes Problem damit.“ Deswegen habe sie ihre durchweg männlichen Azubis gleich mit dieser Frage konfrontiert. Aber, so Bohle, Schwierigkeiten gab es deshalb nicht. „Ich war als Frau, auch in meinem Beruf, herzlich willkommen.“

CHRISTIAN JAKOB

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