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Öko macht auch Mist

Der Markt für Öko-Nahrungsmittel wächst in Berlin und Brandenburg kontinuierlich, auch wenn der „BSE-Boom“ vorbei ist. Inzwischen hat die Region schon deutschlandweit Vorbildfunktion

von RICHARD ROTHER

Eine verschrumpelte Zitrone, eine Knoblauchzwiebel, zwei sandige Mohrrüben, ein halbes Brot, ein Stückchen Käse und ein Papiertütchen mit unsichtbarem Inhalt – es ist ein klassischer Single-Einkauf, den die Mittvierzigerin an der Kasse eines Kreuzberger Bioladens abrechnet. Öko-Kleinvieh macht auch Mist. Immerhin 10,22 Euro kostet der gesunde Wochenendeinkauf, der sich in einem Handtäschchen wegschaffen lässt. Aber Kleinvieh bleibt Kleinvieh: An ihrem Laden sei der Bioboom vorübergegangen, klagt die Besitzerin. „Das waren nur so Wellen.“

Ausnahmen bestätigen offenbar die Regel. Ein Jahr nach der BSE-Krise und der Grünen-Übernahme des Agrarministeriums zeigen sich die Ökolandwirte und -händler durchaus zufrieden. Zwar ist der „BSE-Boom“ vorbei, der Markt für Ökonahrungsmittel wächst in Berlin dennoch kontinuierlich. Um durchschnittlich zehn Prozent, schätzt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL). Der größte Berliner Großhändler, Terra Frischdienst, habe seinen Umsatz sogar um die Hälfte erhöht. Und das Märkische Landbrot, eine Neuköllner Ökogroßbäckerei, verkaufe ein Sechstel mehr Brote als noch vor einem Jahr.

Die Nachfrage scheint also kein Problem: Ökobauern und Verarbeitungsbetriebe haben vielmehr noch nicht die Kapazitäten, um den Markt zu bedienen. „Wir können noch mehr Bauern gebrauchen“, sagt David Egelmeers, Berliner Marketingchef von Demeter. Zwar wachse die Nachfrage nicht mehr so schnell wie zu Zeiten der BSE-Krise: „Aber wir merken, dass es weniger Rohstoffe gibt.“ So manche Demeter-Molkerei holt sich die Milch hunderte Kilometer weiter ab.

Die Natur hat den Biobauern Grenzen gesetzt: Gerade bäuerliche Betriebe können nicht von heute auf morgen explosionsartig wachsen, und auch die Umstellung von konventionell auf bio dauert seine Zeit – mindestens zwei Jahre. Dabei ist der Trend zu Bio auf Brandenburger Feldern ungebrochen: Mehr als 400 Betriebe beackern die märkischen Böden ökologisch, 129 sind allein im vergangenen Jahr hinzugekommen – das ist eine Steigerung um 30 Prozent. Diese Rate hätte man bisher eher in der Biotech- oder Internetbranche vermutet.

Weil viele Betriebe klein sind, hat sich das in der Fläche noch nicht bemerkbar gemacht: Zwar werden mittlerweile in Brandenburg sieben Prozent der Anbaufläche ökologisch bearbeitet, vor einem Jahr waren es allerdings auch schon sechs Prozent. Von dem ehrgeizigen Ziel, diesen Anteil innerhalb kurzer Zeit auf 20 Prozent hochzuschrauben, sind die Brandenburger also noch weit entfernt. Im Bundesvergleich spielen sie aber eine Vorbildrolle: Deutschlandweit liegt der Anteil des Ökolandbaus nämlich durchschnittlich bei gerade mal drei Prozent. Dass immer mehr Brandenburger Bauern auf Bio machen, muss nicht unbedingt etwas mit Ökobegeisterung zu tun haben. Die schlechten Sandböden in der Mark machen den Bauern den Umstieg auf Öko leichter. Oft lohnt es sich rein ökonomisch nicht, teuren Kunstdünger auf die Felder zu karren. Schon der nächste Regen würde das Zeug wieder wegspülen. Auf fetten Böden, die das Wasser besser halten, sieht es anders aus: Hier lassen sich die Erträge durch Kunstdünger kräftig steigern, der Abschied von der konventionellen Landwirtschaft fällt besonders schwer.

Am meisten hapert es aber noch bei der Verarbeitung: Kaum eine Fleischerei, die Ökorinder und -schweine vorschriftsmäßig verarbeiten kann, nur zwei Mühlen, die Ökogetreide mahlen. Im Spreewald wird gerade eine weitere Mühle aufgebaut. Die Folge: „Wir mahlen unser Korn selber“, sagt Joachim Weckmann, Geschäftsführer von Märkisches Landbrot. Besondere Getreidesorten wie Dinkel, für die spezielle Spleizmühlen nötig sind, muss der Ökobäcker in Westdeutschland zerkleinern lassen – Transportwege, die nicht gerade ökologisch sind.

Die Berlin-Brandenburger Ökoszene setzt auf das neue Bio-Siegel, das die Agrarministerin Renate Künast (Grüne) jetzt einführt. Ihre Hoffnung: Ein einheitliches Logo, das breit beworben wird, könnte die Nachfrage nach Ökoprodukten weiter erhöhen. Und vor allem das Vertrauen potenzieller Produzenten und Verarbeiter in den Markt stärken. FÖL-Sprecher Wimmer: „Die Region ist bei der Verarbeitung noch Entwicklungsgebiet.“

Vielleicht hält die in Westberlin geprägte Ökowirtschaft dann auch in Ostberlin Einzug: Zur Zeit gibt es noch keinen Ökobäcker in Ostberlin, obwohl das Potenzial in der Innenstadt vorhanden sein dürfte. Märkisch-Landbrot-Chef Weckmann: „Manch Bäcker macht lieber Pleite, als auf Öko umzustellen.“

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