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Die B-Frage von Friesenried

Kandidat gesucht: In einer Allgäugemeinde will niemand Bürgermeister werden

Weigert sich der Gewählte, das Bürgermeisteramt anzutreten, drohen Zwangsmaßnahmen

FRIESENRIED/GÖSSENHEIM taz ■ Eine K-Frage der besonderen Art beschäftigt derzeit die kleine Allgäuer Gemeinde Friesenried. In dem 1.600-Seelen-Ort im Ostallgäu ist der seit zwölf Jahren amtierende Rathauschef amtsmüde und möchte seinen Nebenjob als ehrenamtlicher Bürgermeister an den Nagel hängen. Doch es will sich in Friesenried niemand finden, der das schwierige Amt übernimmt. In Sachen B-Frage droht dem Allgäuer Dorf nun der Ausnahmezustand und dazu noch eine Reihe kurioser Wahlentscheidungen.

Was tun bei der Bürgermeisterwahl am 3. März, fragen sich die Friesenrieder, denn Bürgermeister Wolfgang Gerum will partout nicht mehr kandidieren. „Ich finde, dass zwölf Jahre genug sind, dass da mal ein frischer Wind in die Gemeinde muss“, meint der Rathauschef. Seine Entscheidung, nicht mehr kandidieren zu wollen, hat Bürgermeister Gerum rechtzeitig mitgeteilt, doch während andernorts ein regelrechter Run auf die Rathäuser zu verzeichnen ist und an Kandidaten kaum ein Mangel besteht, wollte sich bis Donnerstag vergangener Woche, zum Ablauf der Meldefrist in Friesenried, niemand finden, erklärt Albert Wölfle, der Geschäftsleiter der zuständigen Verwaltungsgemeinschaft Eggenthal. Nun wurde den Friesenriedern noch eine Fristverlängerung bis zum 17. Januar eingeräumt. Sollte auch bis dahin niemand sein Interesse an einer Kandidatur anmelden, wird ein besonderes Verfahren in Gang gesetzt. Dann würden nämlich am Wahltag weiße, leere Stimmzettel ausgegeben und es wäre der- oder diejenige als Bürgermeister gewählt, der am häufigsten genannt wird. Bürgermeister wider Willen quasi. Sollte sich der gegen seinen Willen Gewählte weigern, das Amt anzutreten, drohen Zwangsmaßnahmen bis hin zu 500 Euro Bußgeld.

Die Friesenrieder hoffen, dass es so weit nicht kommen wird. Der Noch-Amtsinhaber schlägt daher vor, dass sich Frauen aus der Gemeinde aufstellen lassen. Die freilich winken bei einer spontanen Umfrage im Dorf ab. „Das ist mir einfach zu stressig“, meint eine Dame. Eine andere, Verkäuferin in der Dorfbäckerei, erklärt, ihr Mann arbeite als Gemeindediener und so könne sie doch nicht als Bürgermeisterin kandidieren. Schließlich würde sie im Falle einer Wahl so zur Chefin des eigenen Mannes – undenkbar im Allgäu!

Doch auch mit den Männern im Ort sieht’s nicht besser aus. „Keine Lust“, meint der befragte Kaminkehrer. „Beruflich geht das nicht, ich habe einen Fulltimejob als Leiter einer Baufirma“, erklärt der Zweite Bürgermeister. Doch er greift noch einmal die Idee des Ersten Bürgermeisters auf. Eine Gemeinderatskandidatin, nämlich Rosmarie Brecheisen, wäre doch die ideale Kandidatin. Die derart Geadelte blickt freundlich aus dem Fenster – doch sie schüttelt schon von weitem den Kopf, eine nicht zu verkennende Abwehrbewegung. „Dazu können Sie mich nicht bewegen, ich bin bereits gefragt worden und habe abgelehnt.“

Doch ob da das letzte Wort schon gesprochen ist? Auch beim Bürgermeister scheint das bei nochmaligem Nachbohren nicht ganz sicher zu sein. Ein wenig windet er sich, verweist auf seinen Hauptberuf als Pflegedienstleiter in der Psychiatrie, dann aber gibt er zu, dass er noch unentschlossen ist. „Ich hab eigentlich die Entscheidung schon getroffen, und jetzt ärgert es mich, dass ich wieder wankelmütig bin.“ Schließlich sei das Bürgermeisteramt der schönste Job in der Gemeinde.

Bleibt die K-Frage von Friesenried: Werden Frau Brecheisen oder der Amtsinhaber doch noch umgestimmt? Oder wird am 3. März der neue Bürgermeister ein Rathauschef wider Willen? Übrigens meldet inzwischen die unterfränkische Gemeinde Gössenheim ein beinahe identisches Problem. Auch hier könnte es zur Zwangsnominierung kommen, denn auch hier wurde bislang kein Kandidat gefunden.

Im Bayerischen Innenministerium will man die Kandidaten-Unlust eher niedrig halten. „Das passiert äußerst selten, und soweit ich mich erinnern kann, musste noch niemand in letzter Konsequenz per Bußgeld zum Amtsantritt gezwungen werden“, sagt Ministeriumssprecher Michael Ziegler. Unbestätigten Meldungen zufolge will sich der frisch gekürte Kanzlerkandidat Doktor Edmund S. vehement dafür einsetzen, dass Angela M. in Friesenried antritt, nachdem dort ja die Frauenfrage bereits unmissverständlich gestellt wurde. KLAUS WITTMANN

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