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Trallala und Remmidemmi

■ Allen Anstrengungen zum Trotz nahm die Zahl der Übernachtungen in Bremen im letzten Jahr wieder ab. Jetzt werben die Tourismusförderer Betriebsausflügler an

Manche Gäste sind ganz einfach zufrieden zu stellen: „Ein bisschen Huhu, ein bisschen Trallala, ein bisschen Remmidemmi – fertig ist der Gruppenspaß.“ Beim Ringen um mehr Übernachtungsgäste ist Bremen jedes Mittel recht. Und weil letztes Jahr mehr Betten leer geblieben sind als noch im Jahr zuvor, wollen die Tourismus-Manager jetzt neue Kundenkreise erschließen: Vereine, Kaffeekränzchen und, oja!, „Betriebsnudeln“. Für die hat die Bremer Touristik Zentrale (BTZ) in ihrem druckfrischen Extra-Prospekt maßgeschneiderte Happenings im Angebot. Etwa: „Essen, trinken, feiern an der südlichsten Promenade des Nordens“ (Schlachte) – wahlweise allein, in Kleingruppen oder „im Haufen“. Oder ein Besuch im „Universum“, dem „echten Besuchermagneten“ mit „akustischen Effekten“. Oder: „Einkaufen, Einkaufen, Einkaufen“ im „Zollparadies Helgoland“. Selbst an einen möglichen Regierungswechsel im Herbst haben die Tourismus-Profis schon gedacht und bieten als Vorgeschmack auf die neuen Sitten, die dann Einzug halten werden, ein „zünftiges bayerisches Fleischgericht“ an. Kostenpunkt: 10 Euro pro Person.

„Wir machen das in Bremen nicht nur, weil das soviel Spaß macht“, sagt Peter Siemering, Geschäftsführer der BTZ. Immerhin 11.000 Arbeitsplätze hängen in der Weserstadt am Tourismus, bis zum Ende des Sanierungszeitraums 2006 sollen es 16.000 sein. Dafür müssten die Übernachtungszahlen in Bremen in den nächsten fünf Jahren jeweils um gute acht Prozent steigen, von derzeit 1,08 Millionen auf dann 1,6 Millionen pro Jahr – ein Ziel, von dem Bremen noch weit entfernt ist. Denn statt acht Prozent mehr nächtigten 2001 sogar vier Prozent weniger Gäste an der Weser als noch im Jahr zuvor.

Schuld daran, sagt Siemering, sei die Expo, die das Jahr 2000 zum „Rekordjahr“ mit 1,12 Millionen belegten Betten gemacht habe. Deswegen macht der Bremer Tourismus-Chef nun das Jahr 1999 zum Maß aller Dinge und verkündet stolz: „Wir haben unser Ziel einer weiteren Steigerung der Übernachtungszahlen erreicht.“ Der Zuwachs in den zwei Jahren beträgt zusammen gerade mal knappe vier Prozent...

Nach wie vor stammen drei Viertel der im Tourismus-Geschäft erwirtschafteten Einnahmen von den rund 20 Millionen Tagestouristen, die jedes Jahr durch Bremen laufen. Für die Fremdenverkehrsexperten sind dennoch die Übernachtungsgäste wichtiger. „Die lassen mehr Geld da“, sagt Siemering. 180 Millionen Euro kamen so 2001 zusammen, macht 136 Euro pro Gast und Tag. Leider, bedauert der Tourismus-Chef, blieben diese Gäste im Mittel nur 1,8 Nächte in der Stadt – kein bisschen länger als vor fünf Jahren. Das muss anders werden: Die Feierlichkeiten zum 200-jährigen Bestehen der Wallanlagen im Sommer etwa, die große Van-Gogh-Ausstellung ab Oktober in der Kunsthalle, die alle Felder-Bilder des berühmten Impressionisten zeigen wird, und die FischParty in Bremerhaven sollen dieses Jahr mehr Kurzurlauber an die Weser locken und dort halten. Siemering: „Mit Bremerhaven gibt es genug Gründe, auch zwei Tage hierzubleiben.“

Pech hatten die Gäste-Angler zuletzt mit dem Musical, das unlängst Konkurs angemeldet hat. „Touris-tisch ist das ein schwerer Schlag“, sagt Siemering. Denn: „Wir brauchen Shows, die überregional bedeutend sind.“ Da kommt der Space-Park, das „Freizeiterlebnis einer neuen Generation“, gerade recht. Auf dem ehemaligen AG-Weser-Gelände röhren zwar noch die Betonmischer; ein Ankermieter für das 500-Millionen-Euro-Projekt ist nach wie vor nicht in Sicht. Als Aushängeschild muss das „Entertainment- und Shopping-Center“ trotzdem schon herhalten. Eine ganze Doppelseite im Bremen-Prospekt preist den „intergalaktischen“ Freizeitpark, und selbst die Frauen-Gazette „Marie Claire“ schwärmt in ihrer Januar-Ausgabe von „Bremens Antwort auf Cape Canaveral“ – „Eröffnung Ende 2002“. Wie heißt es doch so schön im aktuellen „Hair“-Prospekt: „We still have a dream - check it out.“

hoi

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