: Bericht aus der Achterbahn
Vor einem Jahr waren die Töne zuversichtlicher. Jetzt sorgt sich die Preußenstiftung um das Geld oder die Zukunft der Dahlemer Museen, kündigt aber große Ausstellungen an
Vor einem Jahr klang Klaus-Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wesentlich zuversichtlicher. Die Umsetzung des Masterplans für die Museumsinsel schien damals noch gesichert. Rückblickend aber vergleicht er die letzte Zeit mit einer „Achterbahnfahrt“. Die Schwierigkeiten Berlins, seinen Anteil der Baukosten für die Museumsinsel aufzubringen, hatten einen Baustopp ausgelöst. Das „Verschwinden ganzer Regierungen“, sagte Lehmann mit Blick auf den Wechsel im Senat, habe das Vertrauen nicht gerade erhöht. Der Bund habe zwar signalisiert, der Stiftung unter die Arme zu greifen, aber „einfach vor die Tür kippen“ kann man ihm die Brocken nicht, die die Stadt nicht mehr zu stemmen vermag.
Für Verunsicherung sorgt auch die Debatte über eine Entflechtung der Finanzierung zwischen Bund und Ländern. Bisher habe er nur „uneinheitliche Signale“ aus den Staatskanzleien empfangen, sagte Lehmann. Alle 16 Länder müssten aber hinter der Mitfinanzierung der Stiftung stehen, um das föderale Modell zu erhalten. Noch in einer weiteren Hinsicht sieht der Präsident 2002 als entscheidendes Jahr: Für die ethnologischen Sammlungen in Dahlem werde es dringend Zeit, zu wissen, ob sie auf einen Umzug an den Schlossplatz setzen sollen. Ihr sanierungsbedürftiges Gehäuse aus den 60er- Jahren ist nur noch mit großer Improvisationskunst bespielbar.
Es gab aber auch Erfolgsmeldungen. Während in vielen Großstädten Museumsbesuche zurückgegangen sind, in Paris um 30 Prozent, ließ in Berlin der Bildungshunger nicht nach. Froh sind die Museen vor allem über das internationale Interesse an Kooperationen, die große kulturhistorische Projekte ermöglichen. Für eine Ausstellung über die „Merowinger“, geplant für 2003/2004, öffnen die Eremitage in St. Petersburg und das Puschkin-Museum in Moskau ihre Depots. Das bringt eine neue Qualität in die Beziehungen zwischen den Museen in Berlin und Russland, die bisher von Auseinandersetzungen um die Beutekunst belastet sind. Wenn dann ein Gürtel aus Berlin seine Schnalle in St. Petersburg wiederfindet, werde auch die Absurdität der auseinandergerissenen Sammlungen sichtbar, meinte Lehmann. Mit einem Projekt „Berlin – Moskau 1950– 2000“ hofft man an den großen Erfolg der Ausstellung anknüpfen zu können, die von der Berlinischen Galerie zur Beziehung der Städte in der ersten Jahrhunderthälfte ausgerichtet wurde.
2004 wird in New York das Museum of Modern Art umgebaut: Dann wird ein Teil seiner Sammlung für ein halbes Jahr in der Neuen Nationalgalerie in Berlin gezeigt. Die internationalen Großprojekte können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Spielraum für Entdeckungen und selbst produzierte Ausstellungen durch die dünne Finanzdecke sehr schmal geworden ist.
KATRIN BETTINA MÜLLER
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