: Der höfliche Fundamentalist aus Bayern
Norbert Geis, Aschaffenburg, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, wird zur Belastung für seine Partei
In seiner Heimat gilt er als unumstritten. Als Mann klarer Worte und als Politiker mit aufrechtem Gang. Norbert Geis, 63 Jahre, kommt aus der nördlichsten Region Bayerns. Seinen Wahlkreis 233 in Aschaffenburg gewann er mit überwältigener Majorität der Wählerstimmen. Das mag an der konservativen Mentalität der Menschen liegen, die dort leben – vorsätzlich provinziell, aber doch Frankfurt als Verheißung nah. Geis darf nicht als knorriger ältlicher Herr genommen werden, obwohl er nicht zimperlich ist, wenn es wider den politischen Zeitgeist à la Rot-Grün geht. Er verfügt über Charme und Umgangsformen fern aller Jovialität.
Und weil er so ist, sind die Kollegen seiner Fraktion, der er als rechtspolitischer Sprecher dient, auch nur selten sauer auf ihn. Das könnte sich ändern. Denn ihr Parlamentskollege hat am Dienstagabend in der Sendung „Vorsicht! Friedman“ den von Edmund Stoiber 1988 geäußerten Begriff von Deutschland als einer „durchrassten Gesellschaft“ nicht zurückgewiesen. Zwar benutzte Geis, gelernter Rechtsanwalt, diese Formulierung nicht, aber er fragte rhetorisch durchaus defensiv zurück: „Warum lasst ihr nicht Deutschland den Deutschen?“
Nun will Geis das alles nicht so gemeint haben: „Meine Frau sagte mir hinterher, ich hätte rumgeeiert.“ Denn was er nicht ahnte, war ja, dass Stoiber, nicht mehr wie früher CSU-Generalsekretär, sondern Kanzlerkandidat der Union und insofern um viel Kreide im Wolfsrachen bemüht, diesen Satz von einst bedauert hat. „Ich wusste das aber nicht. Und ich konnte doch nicht Stoiber in den Rücken fallen.“
In Wirklichkeit wolle er so verstanden werden: Italiener schämen sich nicht, Italiener zu sein – und Deutsche sollten ihr Deutschsein ebenso gut finden. Und deutsch seien alle, die sich an die Gesetze halten und einen deutschen Pass haben. Geis verweist darauf, dass von der Ringerstaffel des AC Goldbach mit vielen Sportlern türkischer Herkunft Meistertitel errrungen worden sind: „Und darauf bin ich stolz.“ Speisen wie Kebab oder Gyros seien ihm nicht fremd, aber er besteht darauf, dass auch Schweinebraten bekömmlich ist.
Geis ist, alles in allem, ein unverstandener Mann. Schon bei der Debatte um die Homoehe profilierte er sich als eisernes Schwert gegen die Anerkennung von homosexuellen Lebensgemeinschaften unter gesetzlichem Schutz. Wobei er betont, dass er gegen Schwule und Lesben „menschlich“ nichts habe. „Aber ich bin dagegen, dass die Ehe entwertet wird.“
Dass seinen Argumenten zum Trotz in ein paar Jahren schwul-lesbische Ehen zum Alltag gehören werden, ist freilich nicht seine größte Tragik. Vielmehr ist es so, dass dieser Politiker – der ja durchaus weiß, wie es in seinen Milieus tickt – in seiner Fraktion bald zu den Solitären zählt. Als er für sein Pamphlet gegen die Homoehe Unterschriften sammelte, ließ man ihn allein – was dazu führte, dass seine Freunde im Bundestag sich der Klage in Karlsruhe nicht anschlossen. Selbst Stoiber erklärte Anfang Januar, jenes rot-grüne Reformprojekt nicht aufschnüren zu wollen: Das nennt man die Kunst, sich in die Lektion der Neuen Mitte einzuüben. Geis, ein Fundi durch und durch, ist für derlei Wohlfeilheit nicht zu haben, aber: „Wenn Karlsruhe sagt, dass das Gesetz in Ordnung ist, bin ich Demokrat genug, es zu respektieren.“ JAN FEDDERSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen