Hypothetische Atempause

Die bayerische HypoVereinsbank springt ihrem bedrängten Großkunden Kirch bei – zu eigenen Bedingungen. Dem verschuldeten Medienhändler verschafft das Angebot höchstens vorübergehend Luft. Sein Murdoch-Problem bleibt ungelöst

aus Berlin ARNO FRANK
UND STEFFEN GRIMBERG

Ganz genau weiß es wohl nicht einmal Leo Kirch selbst, aber die Schulden seines Medienkonzerns belaufen sich auf fünf bis sechs Milliarden Euro. Manche Schätzungen liegen gar noch höher. Und neue Zahlungen stehen an: Zum einen muss Kirch noch in dieser Woche die nächste Rate für die TV-Übertragungsrechte der Bundesliga zahlen – am Freitag werden rund 100 Millionen Euro fällig. Zum anderen wird sich der australische Medienunternehmer Rupert Murdoch voraussichtlich bis Oktober aus dem defizitären Kirch-Projekt Premiere World zurückziehen – und 1,7 Milliarden Euro zurückfordern. Bar auf die Hand, mit Zins und Zinseszins. Zurückgezogen hat sich auch der Axel Springer Verlag (ASV), an dem Kirch noch mit 40 Prozent beteiligt ist, und zwar aus Kirchs Senderfamilie ProSiebenSat.1. Kostenpunkt: 767 Millionen Euro. Hier streiten beide Parteien allerdings, ob der Springer-Auszug überhaupt rechtlich standhält, da die Vertragslage unklar ist.

Unklare Verträge – siehe die umstrittenen TV-Exklusivrechte bei der Fußballweltmeisterschaft – scheinen ohnehin eine Kirch-Spezialität zu sein. Völlig klar sind dagegen die Forderungen der Großbanken gegenüber ihrem bisher wohlgelittenen Kreditnehmer Kirch. Mit insgesamt etwa 2,2 Milliarden Euro steht Kirch in der Kreide, bei der Dresdner Band, der Deutschen Bank, der halbstaatlichen Bayerischen Landesbank und der Münchener HypoVereinsbank.

Ausgerechnet die Hypo will nun, nach Berichten aus Münchener Finanzkreisen, dem klammen Kirch noch mal eine Atempause verschaffen – zu ihren Bedingungen. Seit Jahren ist Hypo eine von Kirchs Hausbanken, pries den umtriebigen Franken in der Vergangenheit schon mal als „Visionär“ und „Unternehmer alten Schlages“. Hypo-Chef Albrecht Schmidt schätze Kirch als langjährigen Kunden, heißt es in München. Und nun bietet die Bank dem verschuldeten Visionär bis 1,4 Milliarden Euro für dessen Aktienpaket an Springer – damit ließe sich schon die eine oder andere Rechnung begleichen und so vor allem Zeit gewinnen.

Die Hypo spekuliert dabei auf künftige Springer-Kurse: Durch die allgemeine Konjunkturflaute in der Medienbranche hatten die Springer-Papiere rund zwei Drittel an Wert eingebüßt, an der Börse gilt der Konzern als deutlich unterbewertet. Weder die Bank noch die Kirch-Gruppe wollten gestern die aktuellen Entwicklungen kommentieren.

Die knapp 500 Millionen Euro, die Kirch der Hypo ohnehin schon schuldet, würden von diesem Deal aber unberührt bleiben. Ein „Forderungsverzicht“ komme für die Hypo nicht in Frage, meldete Reuters aus der bayerischen Hauptstadt. Dafür ist die Hypo nach Berichten der Financial Times Deutschland auch daran interessiert, in Kirchs Sender- und TV-Recht-Holding KirchMedia einzusteigen. Investitionen in die hoch defizitäre Premiere-World-Dachgesellschaft KirchPay oder die Übernahme von Teilen der Formel-1-Holding SLEC, die Kirch ebenfalls kontrolliert, schließt die Bank laut FTD dagegen kategorisch aus. Gerade hier warten aber die größten Rechnungen auf Kirch.

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