: Vorwärts zum Aufbau
In Kabul ist eine deutsche Wirtschaftsdelegation begeistert über die Afghanen. Und Verteidigungsminister Scharping besucht das Bundeswehrkontingent bei der Friedenstruppe
aus Kabul SVEN HANSEN
In ihren feinen Anzügen wirken die deutschen Geschäftsleute im staubigen und halb zerstörten Kabul völlig „overdressed“. Gleichzeitig sind sie für die ungeheizten Ministerien ihrer Gesprächspartner bei den winterlichen Temperaturen viel zu dünn angezogen, zumal so mancher Handelsreisende aus Sorge um die Gesundheit auch noch den überall freundlich gereichten Tee verschmäht. Doch trotz dieses Zusammenpralls der Kulturen ist die deutsche Wirtschaftsdelegation von ihrem dreitägigen Besuch in Kabul begeistert.
Als „außerordentlich positiv und erstaunlich konkret“ bezeichnet Klaus-Jürgen Wilhelm vom Energieanlagenkonzern ABB den Besuch bei der erst seit sieben Wochen amtierenden afghanischen Interimsregierung. Deren Mitglieder verfügen zum Teil erst seit wenigen Tagen überhaupt über Gebäude für ihre Ministerien. Doch: „Die Gesprächspartner waren sehr gut informiert und wussten, worüber sie reden“, sagt Wilhelm zur taz. Angetan sind die Manager von der Begeisterung, die den Deutschen in Afghanistan entgegengebracht wird. „Wenn man sagt, man kommt aus Deutschland, sieht man ein Leuchten in den Augen“, so Wilhelm. Der Siemens-Manager Oberg ergänzt: „Wir haben alle gespürt, dass Deutschland für Afghanistan ein Wunschpartner ist.“
Für Siemens könnte sich das bald auszahlen. Der Konzern baute vor langer Zeit das afghanische Telefonsystem auf und könnte jetzt den Auftrag erhalten, das System mit landesweit nur 60.000 Anschlüssen instand zu setzen und auszubauen. Dabei locken zwei chinesische Firmen mit günstigen Angeboten. Doch der afghanische Telekommunikationsminister Abdul Rahim signalisierte der von Wirtschaftsstaatsekretär Sigmar Mosdorf (SPD) geführten Delegation, dass die afghanische Regierung Siemens bevorzugen würde.
Ebenfalls positiv überrascht ist die deutschen Delegation, in der Bau-, Energie- und Autokonzerne vertreten sind, als ihr beim Energieministerium gleich eine Liste mit konkreten Projekten vorgelegt wird. Und mit Kabuls Bürgermeister unterzeichnen drei deutsche Bauunternehmer eine Absichtserklärung über die Lieferung einer Asphaltmischanlage. In nur sechs bis acht Wochen soll die Anlage in Afghanistan eintreffen – sofern die Finanzierung gesichert ist.
Da Afghanistan über keine Einnahmen verfügt, müssen alle Geschäfte aus den bei der Geberkonferenz in Tokio Ende Januar zugesagten Wiederaufbaugeldern finanziert werden. 2,2 Milliarden Euro stehen in diesem Jahr bereit. Doch zunächst muss in Afghanistan überhaupt eine Infrastruktur aufgebaut werden, die so viel Geld verwalten und sinnvoll ausgeben kann. Bis dahin könne es noch Monate dauern, sagt der für Afghanistan zuständige Manager der Weltbank, William Byrd. „Man braucht Zahlungsmechanismen, institutionelle Kapazitäten, Ausschreibungsmodalitäten und Buchhaltungsverfahren“, so Byrd, dessen Institution diese zunächst schaffen will, bevor sie größere Projekte startet.
Staatssekretär Mosdorf deutet an, dass die für Afghanistan verhängte Sperre von Hermesbürgschaften bald aufgehoben werden könnte. Er freut sich, dass Deutschland nach der Niederlage der Taliban als erstes Land eine Wirtschaftsdelegation schickt. Auf die Frage, ob sich die Manager keine Sorgen machen, hier zu investieren, antwortet der Bauunternehmer Günter Papenburg: „Wir haben auf dem Balkan erlebt, dass durch die Präsenz einer internationalen Friedenstruppe einschließlich der Bundeswehr eine gewisse Sicherheit gegeben wird.“
Zu seinem ersten Besuch des Bundeswehrkontingents bei der „internationalen Sicherheitshilfstruppe“, so deren offizieller Name, traf gestern früh im zweiten Anlauf Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping in Kabul ein. Nach einem Gespräch mit Übergangspremier Hamid Karsai, der bisher vergeblich eine Aufstockung der Truppe und ihre Ausdehnung auf andere Städte fordert, machte sich Scharping am Nachmittag auf den Rückweg und nahm dabei die Wirtschaftsdelegation mit. Beim Besuch der Soldaten war dem Minister zuvor ein positives Bild vermittelt worden. Die einzige Klage: Die Vorräte an Bier, Schokolade und Gummibärchen sind schon seit Tagen erschöpft.
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