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Die Kohle der Zukunft

Brennstoffzellen machen aus Wasser Energie. 2005 sollen erste Anlagen für die Energieversorgung von Haushalten in Serienproduktion gehen. Die Bewag betreibt bereits eine Modellanlage

von TILMAN VON ROHDEN

„Wasser ist die Kohle der Zukunft“, schrieb 1874 Jules Verne in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“. Aus damaliger Sicht war dies eine seiner typisch steilen Thesen, denn als Indiz hatte er kaum mehr als den technischen Urknall, geschehen im Jahr 1839. Da entdeckte der englische Physiker Sir William Robert Grove, dass sich bei der elektrochemischen Behandlung von Wasserstoff und Sauerstoff Strom gewinnen lässt. Ganze ein Volt schaffte seine Konstruktion. Groves Zeitgenossen konnten mit der Entdeckung, der Grundlage der späteren Brennstoffzellentechnik, nur wenig anfangen, denn alle Versuche zur wirtschaftlichen Nutzung verliefen im Sande.

Otto Normalverbraucher wird schon bald aus Brennstoffzellen Energie beziehen. Weit fortgeschritten ist die Entwicklung, wesentlich leistungsfähigere Brennstoffzellen als Ersatz für die heutigen Akkus in Kleingeräten wie Laptops zu verwenden.

Ökologisch interessanter ist die Energieversorgung von Haushalten. Derzeit laufen vereinzelte Tests mit Brennstoffzellen, die im Keller untergebracht sind. Das am weitesten fortgeschrittene deutsche Unternehmen ist Vaillant. Es plant die Serienfertigung für 2005.

Die Bewag hat im Sommer 2000 die europaweit erste erdgasbetriebene so genannte PEM-Brennstoffzelle in der 2.000-Kilowatt-Klasse für Demonstrationszwecke in Betrieb genommen. Die PEM-Technologie eignet sich insbesondere für Endverbraucher.

Auf einer jüngst in Berlin abgehaltenen Tagung über Brennstoffzellen für die dezentrale Hausenergieversorgung sagte TU-Professor Georg Erdmann, dass Brennstoffzellen den Strombedarf von Gebäuden immer nur unvollständig decken, da sie nur bedingt auf unterschiedliche Stromlasten eingehen könnten. „Deshalb wird es laufend zu Ein- und Ausspeisungen in das und aus dem öffentlichen Stromnetz kommen.“

Die heutigen meist zentral organisierten Stromversorger werden also nicht überflüssig. Sie müssen sich aber auf dezentrale Versorgungsstrukturen und möglicherweise auf virtuelle Kraftwerke, die aus vielen Brennstoffzellensystemen bestehen, einstellen. Derzeit rätseln die Experten, inwieweit die Stromversorger diese neuen Versorgungsstrukturen gutheißen oder torpedieren werden.

Während die Berliner Energieagentur die großen Versorger mit Skepsis betrachtet (siehe Kommentar), hält man diese Frage bei der Bewag für politisch so brisant, dass Sprecher Siegfried Knopf keine Auskunft gibt. Schon allein daraus böse Absichten abzuleiten, wäre unlauter, denn die Bewag will sich erst in das schwedische Stromunternehmen Vattenfall integrieren, bevor solch heikle Fragen auf die Agenda gesetzt werden.

Brennstoffzellen eignen sich im Prinzip, um Autos anzutreiben. Doch sind die Autohersteller längst nicht mehr so euphorisch gestimmt wie vor einigen Jahren. Dietrich Naunin, Professor für Systemelektronik an der Technischen Universität (TU) Berlin und Fachmann für Antriebstechnik, glaubt, dass die ersten Kleinserien in rund fünf Jahren möglich wären. Ob dann wirklich chemisch aufgemotzte Kaleschen durch die Gegend fahren, sei „im Wesentlichen eine Frage der wirtschaftlichen Risikobereitschaft“.

Der Hintergrund: Derzeit kostet allein die futuristisch anmutende Antriebstechnik mehr als ein kompletter Benziner. „Die heutigen Brennstoffzellen sind für PKWs wenig geeignet“, fasst Werner Rosenberg von der TU-Kooperationsstelle Wissenschaft/Arbeitswelt zusammen.

Trotz neuer Antriebstechnik wäre die ökologische Problematik nicht gelöst, weil mitgeführte Wasserstofftanks zu schwer und zu groß für PKWs wären. Man müsste auf die problematischen fossilen Brennstoffe zurückgreifen. Aber: „Brennstoffzellen-Fahrzeuge bieten nur dann klimapolitische Vorteile, wenn die Kraftstoffe aus regenerativen Quellen bereitgestellt werden“, kommentiert Erdmann.

www.innovation-brennstoffzelle.de

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