: Eine britische Tragödie
Nicht den Tätern, den Augenzeugen gefolgt: Paul Greengrass’ deutliche politische Stellungnahme in „Bloody Sunday“ wurde mit dem zweiten Goldenen Bären belohnt
Mit dem Film „Bloody Sunday“, dem Co-Gewinner des Goldenen Bären auf der Berlinale, hat die Jury gestern einen hochpolitischen Film ausgezeichnet. Der englische Regisseur Paul Greengrass hat eindeutig Stellung bezogen und ist in der Darstellung der Ereignisse den Aussagen der Augenzeugen und nicht jenen der Täter gefolgt.
13 unbewaffnete Menschen, die für Bürgerrechte demonstrierten, wurden vor 30 Jahren in Nordirlands zweitgrößter Stadt Derry von Fallschirmjägern der britischen Armee erschossen. Ein weiterer Mann starb fünf Monate später an den Verletzungen, die er am Bloody Sunday erlitten hatte. Bloody Sunday markierte den Wendepunkt im Nordirlandkonflikt. Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) erhielt danach starken Zulauf, aus dem Kampf für Bürgerrechte wurde ein Krieg gegen die britische Besatzung Nordirlands.
Die Jury prämierte wohl nicht nur den Inhalt des Films, sondern auch seine Umsetzung. Greengrass arbeitete viel mit der Schulterkamera, was dem Film den Charakter eines Dokumentarfilms verleiht. Das ist ihm in Nordirland von protestantischer Seite vorgeworfen worden. Man verweist auf die Untersuchung, die größte in der britischen Geschichte, die erst in zwei Jahren abgeschlossen sein wird, und bei der demnächst auch die Fallschirmjäger gehört werden.
Der Film ist eine britisch-irische Koproduktion, um die Bedeutung des Bloody Sunday für beide Länder zu reflektieren. „Es ist genauso eine britische Tragödie, wie es eine irische ist“, sagt Hauptdarsteller James Nesbitt, der den Bügerrechtler Ivan Cooper darstellt, einen der wenigen Protestanten in der Bügerrechtsbewegung. Jim Sheridan, einer der Co-Produzenten, sagt: „Ich hoffe, der Film trägt dazu bei, dass den Menschen das große Unrecht bewusst wird, das an jenem Tag geschehen ist.“ Sheridan hat als Regisseur mit seinem Film „Im Namen des Vaters“ vor einigen Jahren den Goldenen Bären gewonnen.
Nesbitt, ein nordirischer Protestant, sagt, der Film „Bloody Sunday“ habe sein Leben verändert: „In meiner Schule wurde eine ganz andere Art von Geschichte unterrichtet als an den katholischen Oberschulen. Ich wusste nichts vom Bloody Sunday. Der Film war ein Dammbruch für mich, ich habe viel über mich gelernt. Bis dahin war die Schauspielerei etwas, das mir Spaß gemacht hat, aber es war nichts für meine Seele. Das hat sich geändert. Es war ein schwieriger, aber auch ein sehr bemerkenswerter Prozess.“ RALF SOTSCHECK
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