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Rückwirkend gemein und unnütz

Schwarz-Schill will Airbus-Erweiterung für gemeinnützig erklären. Obstbauern demonstrierten vor dem Rathaus  ■ Von Sven-Michael Veit

Das sei „eine Verzweiflungstat“, kommentiert Rüdiger Nebelsieck die Absicht des Schwarz-Schill-Senats, die Erweiterung des Airbus-Werkes Finkenwerder zur Teilmontage des Riesenjets A380 für gemeinnützig erklären zu lassen. Und vermutlich erfolglos, sagt der Anwalt, der etwa ein Dutzend Kläger gegen den Werksausbau und die Zerstörung des Mühlenberger Lochs vertritt. Denn gegen rückwirkende Gesetze gebe es „reichlich juristische Bedenken“. Heute Nachmittag debattiert die Bürgerschaft über einen Gesetzentwurf des Senats „zum Erhalt und zur Stärkung des Luftfahrtindustriestandortes Hamburg“. Einziger Inhalt des zwei Paragrafen kurzen Gesetzes: „Maßnahmen zum Erhalt und zur Erweiterung der Flugzeugproduktion am Standort Finkenwerder „dienen dem Wohl der Allgemeinheit“: Ein Freibrief für Investoren und, so empört sich der Nabu Hamburg, „eine systematische Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien“.

Der Rechts-Senat hat, dies der Beweggrund für dieses Gesetz, Angst vor dem Hamburger Verwaltungsgericht (VG), und das nicht zu Unrecht. Dieses befasst sich zurzeit im Hauptsacheverfahren mit diversen Klagen gegen die Werkserweiterung und die Zuschüttung des Elbe-Biotops. Im Dezember 2000 hatte das VG in ener Eilentscheidung die Baumaßnahmen ausgesetzt, vor genau einem Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) diesen Baustopp aufgehoben.

Dabei hatte das OVG die Frage erörtert, aber nicht entschieden, ob das gesamte Projekt gemeinnützig oder privatnützig sei. Die Antwort auf diese Frage aber kann für die rechtliche Lage der Kläger von entscheidender Bedeutung sein. Gegen Bauvorhaben, die nur im Inte-resse und zum Nutzen eines privaten Investoren sind, haben Dritte größere Einspruchsmöglichkeiten, um ihre privaten Rechte zu wahren. Dazu gehören die Verschandelung des Ausblicks ebenso wie Fragen des Lärmschutzes oder der Wertminderung von Häusern und Grundstücken. Bei Vorhaben „zum Wohl der Allgemeinheit“ sind die rechtlichen Möglichkeiten erheblich eingeschränkt, etwaige Beeinträchtigungen können durch Schadensersatzzahlungen abgegolten werden. Auch sind Enteignungen juristisch relativ problemlos.

Das VG, das jetzt wieder mit dem Fall beschäftigt ist, dürfte nach taz-Informationen in absehbarer Zeit seine Auffassung bekräftigen, dass bei der Werkserweiterung in Finkenwerder der private Nutzen überwiege. Damit würde das gesamte Projekt, welches die Stadt Hamburg mit rund 665 Millionen Euro subventioniert, erneut in Frage gestellt werden.

Um dies zu verhindern, sollen nun durch einen gesetzlichen Persilschein die juristischen Grundlagen des Vorhabens verstärkt werden: Der Planfeststellungsbe-schluss des damaligen rot-grünen Senats vom Mai 2000 würde durch ein Gemeinnützigkeitsgesetz rückwirkend für unangreifbar erklärt. Dabei allerdings ist schon die Begründung für das Gesetz äußerst dürftig: Mit der „Stärkung des Luftfahrtstandortes“ würden, so heißt es in Paragraf 1, Absatz 2, „insbesondere dauerhaft vorhandene Arbeitsplätze in der Metropolregion Hamburg gesichert“ werden. In der Begründung für den Planfeststellungsbeschluss war noch die „Schaffung von 4000 direkten und indirekten zusätzlichen Arbeitsplätzen“ durch den A380 angeführt worden. Eine Garantie dafür, von Kritikern seinerzeit mehrfach eingefordert, hatte Airbus dem Senat aber nie gegeben.

Nun ist davon, auch in Gesetzesform, gar keine Rede mehr. Würde auch niemand glauben zu einer Zeit, da Airbus gerade für alle deutschen Werke Kurzarbeit angeordnet hat.

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