: „Musik ist nicht witzig“
■ Mehr als ein eklektizistischer Clown: Hans Liberg in der Musikhalle
Er ist versierter Musiker und nimmt sein Geschäft scheinbar kaum ernst, kreuzt Schubert und die Beatles, Handy-Klingeltöne und Nationalhymnen: Zum wiederholten Male bespielt der Kabarettist und Multiinstrumentalist Hans Liberg heute die Hamburger Musikhalle. taz hamburg sprach mit dem Niederländer.
taz hamburg: Wie kamen Sie zu Ihrer Art von, sagen wir: Musikkabarett?
Hans Liberg: Ich weiß auch nicht, was eher kam: der Humor oder die Musik. Ich habe viel Musik gemacht, Musikwissenschaften studiert und immer gespielt: Klassik, aber auch Jazz. Ich habe viele Stile gespielt und viele Instrumente: Klarinette, Gitarre, Banjo. Und es ging weiter. Es ist nicht nur die Musik. Es ist auch, dass etwas falsch lief, ich improvisiert habe. Man hat Musik erwartet, und es passierte etwas anderes, also war es witzig. Und Musik an sich ist nicht witzig – nur wenn man den Kontext ändert. Da habe ich angefangen, Lieder zu machen und Stücke zu sammeln, die ich benutzen konnte. Es ist schwerer mit dem, was ich mache: Es ist etwas mit Musik, mit Kunst und mit Kunstmusik, klassischer Musik. Es ist witzig und ordinär, aber auch erhaben – schwer zu erklären.
Wie lange machen Sie das schon?
Ich habe 1983 angefangen als Solist, Solo-Kabarettist, Musik und Humor. Seit ungefähr 1991/92 auch in Deutschland. In einer fremden Sprache auf der Bühne, das ist gefährlich. Aber es ging gut: Ich bekam gute Kritiken, das Publikum war begeistert. Jetzt läuft es acht, neun Jahre, das ist eine lange Zeit. Das Publikum ist hervorragend, ich amüsiere mich wie verrückt.
Wie entstehen die Programme?
Ich spiele immer sehr viel Musik durch, um musikalische Witze zu haben. Geht es in eine Richtung, die die Leute kennen, gibt es eine gewisse Assoziation. So etwas ist nicht einfach zu finden. Es ist wie eine Goldsuche. Und diese Witze kann man in jedem Kontext wieder benutzen, denke ich. Die Themen kommen eigentlich aus der Zeit. Die spürt man um sich herum: die Vereinigung Europas oder der Euro. Wie kann man Musik und Geld kombinieren? Wie kann man musikalisch übersetzen, dass die Börsen heruntergehen?
Es gibt aber vermutlich Themen, die man so aber nicht angehen kann, oder?
Das weiß ich nicht. Politik und Musik, das kann man auch sehr gut. Ich habe so einige Personen: Jörg Haider oder Gerhard Schröder, Angela Merkel. Da muss man eine Melodie erfinden, wo man denkt, hey, das ist ein gutes Bild: das witzig funktioniert – und auch noch wahr ist.
Zentrales Moment in Ihrer Arbeit ist die überraschende Kombination aus allen Bereichen?
Die musikalischen Beispiele sollen so breit wie möglich sein, nicht unbedingt aus der Klassik. Ich sehe natürlich fern und ich höre Radio. Aber auch unter den Freunden gibt es immer jemanden, der sagt: „Das musst du hören.“ Das finde ich Klasse. Es ist ein Bedarf da, darauf zu kommen, sonst hat man kein Programm. Und dann zum Beispiel überall diese Handy-Klingeltöne. Erst denkt man, das ist witzig, dann denkt man, es ist eine Nummer. Nein – es ist eine Philosophie! Das wird immer größer. Und wenn es dann nach drei Monaten noch nicht aufgehört hat, dann ist es ein Ding, das man benutzen kann. Das ist wahrscheinlich ein Teil des Talents, dass man empfindsam dafür ist. Aber ich denke, jeder ist das. Die ganze Welt weiß, was los ist in der Gesellschaft. Ob man es verneint oder nicht. Aber es gibt auch Sachen, die ich verpasst habe. Das ist dann schade.
Es findet also alles Eingang – ändert sich das Programm dann auch während der Tournee?
Ja. Wenn ich eine Aufzeichnung von der ersten und der letzten Show anhöre, sind da doch ziemliche Unterschiede. Das hat mit der Aktualität zu tun, damit, wie das gewürzt ist.
Sie treten in halb Europa auf. Ist es Voraussetzung, die jeweilige Sprache zu können?
Das muss schon sein. Aber wegen der Musik ist es nicht immer so ein Problem.
Muss man das Programm verändern?
Nicht immer. National bezogen soll es nicht sein. Aber klar, Einzelheiten muss man anpassen, Namen.
Und die Melodie zu Tony Blair ist die gleiche wie die zu Gerhard Schröder?
Die kommen mit derselben Melodie aus. Angela Merkel ist zum Beispiel schwieriger.
Edmund Stoiber?
Der ist jetzt dabei. Anderswo ist das eine andere Person – in England gibt es das Problem noch nicht. Aber der Papst ist überall dasselbe, Clinton auch oder Bush. Man muss die großen Sachen nehmen, einige lokale dazu, das ist eigentlich ein Rezept.
Hat man Ihnen je vorgeworfen, respektlos zu sein?
Sie sind der erste ÄlachtÜ. Nein. Erstens: Die Leute, die Anstoß nehmen, die höre ich nicht, die gehen nach Hause. Und dass man respektlos mit Musik umgehen kann, kann ich mir nicht vorstellen. Meistens kommt das von Leuten, die die Musik überhaupt nicht verstehen. Musik ist eine lebendige Sprache, die sich entwickelt. Sonst ist sie wie Latein. Gerade bei klassischer Musik gibt es viele Tabus und es gehen viele Leute ins Konzert aus anderen Gründen als der Musik wegen: um gesehen zu werden, es ist beschützt, es ist wie ein Tempel. Die hören sich eine tote Sprache an. Aber das ist nicht mein Problem. Das ist das Problem dieser Leute.
Interview: Alexander Diehl
heute, 21 Uhr, Musikhalle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen