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DAS HAT ZWANGSARBEITER-HELFER LOTHAR EVERS NICHT VERDIENT!Der kritische Blick ist weiter nötig

Beim Geld hört die Freundschaft auf – und wenn es um richtig viel Kohle geht, wird es ruppig. Das musste Lothar Evers, der Kopf des Bundesverbands Information und Beratung für NS-Verfolgte, erleben. Gestern wurde er vom Kuratoriumsvorsitzenden der Bundesstiftung für die Zwangsarbeiter, Dieter Kastrup, öffentlich abgewatscht. Ausgegrenzt wurde er schon zuvor bei der Sitzung der Kuratoren: Er habe mit haltlosen Vorwürfen das Ansehen der Stiftung geschädigt. Die Möglichkeit einer Ablösung Evers’ als Kurator werde geprüft.

Das wäre ein Fehler. Zwar mag man zu Recht über Evers’ Neigung streiten, immer gleich die Gerichte zu bemühen – sei es gegen den Kuratoriumsvorsitzenden wegen der Zusammensetzung des Gremiums, sei es gegen die US-Regierung, damit sie zunächst nicht weiter „statements of interest“ äußert, die weitere Verfahren gegen deutsche Firmen wegen der Zwangsarbeiterfrage verhindern. Diese Prozesswut aber rechtfertigt nicht, Evers öffentlich bloßzustellen und – wie Kastrup es tat – gar zu unterstellen, ihm ginge es nur ums Geld.

Ohne Evers und seinen Verband, daran sei erinnert, wäre hierzulande nie der öffentliche Druck entstanden, durch den die Zwangsarbeiterfrage (spät genug) einigermaßen gelöst wurde. Hier hat sich der Verband Verdienste erworben, die eine Ablösung unmöglich machen sollten. Doch es geht auch um die Zukunft: Evers’ kritischer Blick ist weiter nötig. Denn einige Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft, Politik und Diplomatie in der Stiftung neigen, so scheint es, viel zu leicht dazu, die Zwangsarbeiterentschädigung als ein Milliardenprojekt zu betrachten, das möglichst geräuschlos über die Bühne gebracht werden muss – mehr zum Segen der deutschen Wirtschaft, die Ruhe auf dem US-Markt haben will, als zum Wohle der überlebenden Zwangsarbeiter, deren Leid immer mehr in den Hintergrund gerät. Kastrups Aussage, durch die Klage gegen die „statements of interest“ sei die ganze Stiftung „in ihrem Zweck“ in Frage gestellt, zeigt, woher der Wind weht: Es ging eben der Wirtschaft stets zuerst um „Rechtssicherheit“, erst dann um die Zwangsarbeiter.

Dass Evers und andere Opfervertreter mehr Transparenz einfordern und das Wirken der Stiftung kritisch beäugen, ist deshalb zu begrüßen – ohne dass man deshalb jeden einzelnen von Elvers’ Schritten für richtig hält. Schließlich kommen fünf Milliarden Mark der Entschädigungssumme von den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. Sie und vor allem die Zwangsarbeiter haben ein Recht darauf, dass auf das Gebaren der Stiftung nicht der Hauch eines Zweifels fallen kann. PHILIPP GESSLER

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