: „Lasst mich da ran!“
Gerhard Schröder spricht mal wieder ein Machtwort, setzt sich in Szene und reformiert das Arbeitsamt
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
Der Bundeskanzler weiß sich zu inszenieren. Nur Anfänger würden das Wichtigste zuerst verraten – der medienerfahrene Schröder wartete gestern bis zuletzt. Verkündete auf der Bundespressekonferenz erst einmal die Binsenweisheit, dass in jeder Fehlentwicklung auch eine Chance liege; redete von Stufenplänen für die Reform der Arbeitsämter. Dann schlug er zu, mit nur einem Satz: Neuer Leiter der Bundesanstalt für Arbeit werde Florian Gerster.
Das sagte Schröder so cool, wie es sich für einen Coup gehört. Denn seit Tagen wurde in Berlin über den Nachfolger von Bernhard Jagoda spekuliert. Doch der Sozialminister von Rheinland-Pfalz wurde nie genannt; stattdessen galt Gerster bisher als „Reserve“ für Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.
Mit dieser einen Personalie hat Schröder nach Wochen der Krise rund um die geschönten Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit klargestellt, dass er der Chef ist. Oder anders formuliert, da der Kanzler auch auf dieser Pressekonferenz die Analogien zur Welt der Großunternehmen so liebte: wer der Manager der Deutschland AG ist.
Um den Wechsel von Jagoda zu Gerster überhaupt zu ermöglichen und gleichzeitig die Bundesanstalt für Arbeit an ein „modernes, kundenorientiertes Unternehmen mit dem Produkt Dienstleistung“ (Schröder) anzupassen, will die Regierung so schnell wie möglich ein Gesetz verabschieden lassen. Die Bundesanstalt soll nicht mehr von einem Präsidenten und Vize geführt werden, sondern von drei Vorstandsmitgliedern. Wer die zwei Kollegen von Gerster sein werden, steht noch nicht fest – nur dass alle drei „keine Beamte“ mehr sein sollen.
Damit wird die alte Selbstverwaltung demnächst aufgelöst. Drittelparitätisch hatten Gewerkschaften, Arbeitgeber und die öffentliche Hand den ehrenamtlichen Vorstand gestellt. Nun wird dieses Gremium professionalisiert – „es zählt die Fachkompetenz, nicht das Parteibuch“ (Schröder).
Ein Verwaltungsrat, der dem Aufsichtsrat eines Unternehmens entspricht, wird die drei Vorständler kontrollieren. Dort soll sich ebenfalls nur „Sachverstand“ sammeln – „also auch die Tarifpartner“. Aber eben „auch“, nicht mehr dominant.
Mit diesen Personal- und Strukturentscheidungen ist Riesters kürzlich versproche „Reform an Haupt und Gliedern“ zumindest schon einmal beim Haupt angekommen. Für die Glieder der Bundesanstalt für Arbeit gibt es einen „Zweistufenplan“.
Stufe I soll bis zum Juli abgeschlossen sein. Die Privatvermittlung soll stark ausgeweitet werden, Personalumschichtungen sollen auch die Vermittlung der Arbeitsämter und deren Übersicht über freie Stellen verbessern.
Für Stufe II hat Schröder den Personalvorstand von VW gewonnen, der dort etwa die Viertagewoche oder das Modell „5000 mal 5000“ eingeführt hat. Peter Hartz also soll nun eine unabhängige Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ leiten. Die etwa 15 Mitglieder – „Wir brauchen die Besten“ (Schröder) – werden über die künftigen Aufgaben und die Rechtsform der Bundesanstalt beraten. Bis zur Wahl sollten die Konzepte vorliegen, bis 2004 umgesetzt sein. So wird die Kommission auch darüber entscheiden, was mit Landesarbeitsämtern geschieht – und wer in Zukunft das Kindergeld auszahlt.
Nachdem Schröder seine Personalcoups platziert hatte, durfte auch Arbeitsminister Riester einen Abgang vorstellen. Seine Neuigkeit war nicht ganz so spektakulär, schließlich ist nicht er der Kanzler. Wie schon alle erwartet hatten, wird der verbeamtete Staatssekretär Werner Tegtmeier in den „einstweiligen Ruhestand“ versetzt. Ein Nachfolger steht bis jetzt noch nicht fest. Über Gründe wollte Riester eigentlich nicht reden; dann sagte er doch ein bisschen: Tegtmeier habe zwar „sehr qualifizierte Arbeit“ geleistet – aber er sei als Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Arbeit so stark mit ihr verwoben, dass „ein Neuanfang nicht mit ihm“ möglich sei.
Diese Formulierung erinnert stark an die Abschiedsformel für Jagoda, der einem Neuanfang auch nicht im Wege stehen wollte und sollte – und der ebenfalls in den „einstweiligen Ruhestand“ versetzt werden soll. Wie dies bei einem eigentlich unkündbaren „Beamten auf Zeit“ gelingen kann, und zwar bei vollen Pensionsbezügen – darüber, so Schröder, „müssen sich Juristen den Kopf zerbrechen“.
Eine Frage musste am Ende natürlich noch gestellt werden bei so vielen Rücktritten: „Steht auch der Arbeitsminister zur Disposition?“ Da lachte Schröder herzlich.
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