: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?
Bei Durchschnittsrentnern bleibt alles wie gehabt. Also nur Gewinner? Nein. Belastet werden Renter, die über sehr hohe Einkünfte verfügen
BERLIN taz ■ Nun hat die Union wieder ein Thema weniger im Bundestagswahlkampf. Die Schlacht um die Renten, sie fällt aus. Denn auch wenn sich Sozialminister Walter Riester gestern noch nicht detailliert zum Rentenurteil des Bundesverfassungsgerichtes äußern wollte, eine „wichtige Kommentierung“ von Präsidentin Jutta Limbach hob er gleich mehrfach hervor: Rentner müssten keine Angst haben. Etwa 19 Millionen Wähler sind mit einem einzigen Satz aus Karlsruhe beruhigt worden.
Die gestrige gemeinsame Stellungnahme von Finanzminister Eichel und Sozialminister Riester lässt sich nur so lesen, dass sie die „nachgelagerte Besteuerung“ einführen wollen: Rentenbeiträge müssten – anders als heute – künftig nicht mehr versteuert werden. Dafür sind dann die Renteneinkünfte steuerpflichtig. Mehr wurde allerdings gestern offiziell nicht verraten – zunächst soll eine Sachverständigenkommission Vorschläge erarbeiten.
Dennoch werden Sachzwänge bereits deutlich. Etwa dieser: Würde die Bundesrepublik sofort auf die nachgelagerte Besteuerung umstellen, wären schlagartig enorme Steuerausfälle zu verkraften. Vor allem weil es einen Bestandsschutz für die jetzigen Rentner gibt. Ihre Einkünfte kann man nicht komplett besteuern – haben sie doch auf einen Teil ihrer Rentenbeiträge bereits Steuern gezahlt. Es wären also plötzliche Mindereinnahmen von etwa 25 Milliarden Euro einzuplanen. Eine solche Belastung der staatlichen Haushalte ist undenkbar – zumal Finanzminister Hans Eichel bis zum Jahr 2004 sowieso schon etwa 40 Milliarden Mark einsparen muss. Dies hat er kürzlich den EU-Kommissaren in Brüssel versprochen, um einen blauen Brief zu vermeiden.
Insofern dürfte es der Bundesregierung höchst gelegen kommen, dass das Bundesverfassungsgericht gestern festgelegt hat, dass die Besteuerung der Altersbezüge erst ab 1. Januar 2005 neu zu regeln ist. So können zunächst die EU-Stabilitätskriterien abgearbeitet werden, bevor schon wieder neue Defizite zu überstehen sind.
Diese Defizite sollen jedoch jährlich möglichst nicht mehr als 1,5 Milliarden Euro betragen – müssen also gleichmäßig über „eine Generation“ verteilt werden. Dies entspricht in etwa einer Modellrechnung des Finanzministeriums aus dem Jahr 2000, die damals wieder in der Schublade versenkt wurde, weil sie politisch nicht opportun erschien. Aber das hat der Druck aus Karlsruhe ja nun geändert.
Diese Modellrechnung sah vor, dass im ersten Jahr – das wäre jetzt 2005 – 65 Prozent der Rentenansprüche steuerpflichtig würden. Danach wächst dieser Satz jährlich um etwas mehr als 1 Prozent. Gleichzeitig würden die entsprechenden Rentenbeiträge aus der Steuerpflicht entlassen. Dieses Umbauprogramm beginnt mit einer Quote von ausgerechnet 65 Prozent, weil sich argumentieren lässt, dass der Arbeitgeberanteil ja noch nie besteuert wurde und auch die Arbeitnehmer bisher vom steuerfreien „Sonderausgabenabzug“ profitiert haben.
Wer gewinnt, wer verliert? Diese beliebteste aller politischen Fragen hat die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts allgemein ja schon beantwortet: Bei Durchschnittsrentnern bleibt alles wie gehabt. Um es konkreter mit dem Wirtschaftsweisen Bert Rürup zu sagen: Wer als Alleinstehender monatlich 1.500 Euro Rente erhält – oder als Verheirateter 2.500 Euro –, den schützen die hohen Grundfreibeträge, die schon jetzt im Einkommensteuerrecht gelten.
Entlastet würden die Beitragszahler. Zumindest theoretisch. Würde die nachgelagerte Besteuerung sofort komplett eingeführt, dann rechnet Rürup bei einem Alleinverdiener damit, dass er bei einem Jahreslohn von 25.000 Euro etwa 500 Euro spart; wer im Jahr 50.000 Euro verdient, würde mit ungefähr 1.600 Euro entlastet. Doch wie gesagt: Die Reform wird über eine Generation verteilt, so dass am Anfang nur Besserverdiener eine Ersparnis von etwa 300 Euro jährlich erwarten könnten.
Also nur Gewinner? Nein. Belastet würden Rentner, die sehr hohe Einkünfte haben. Allerdings ebenfalls schrittweise.
Ein Beispiel für die nachgelagerte Besteuerung gibt es übrigens schon: die Riester-Rente. Seit Januar fördert der Staat die private Vorsorge mit steuerfreien Zuschüssen. Doch die Auszahlungen müssen später voll versteuert werden. Es handelt sich also um ein „komplexes Thema“ – das findet die Bundesregierung auch. ULRIKE HERRMANN
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