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Eleganz, Diskretion, innere Werte

Der „Volvo S 80 Bi-Fuel“ ist eine Business-Limousine der klassischen Art. Fahrkomfort und gediegenes Ambiente sind seine herausragenden Eigenschaften. Vom Erdgasantrieb merken die Insassen fast nichts – wäre da nicht die zweite Tankanzeige …

von LARS KLAASSEN

„Wo steht er denn?“

„Na, da!“

„Ach, das is ’n Volvo?“

Die Liebste hat einen großen, viereckigen Kasten erwartet. Was ich lässig mit der fernbedienbaren Zentralverriegelung öffne (klack, blink), ist eine elegante schwarze Business-Limousine.

Aber was zählen schon Äußerlichkeiten, auf die inneren Werte kommt es an. Die werden mir sogleich bei der Fahrzeugübergabe nahe gebracht. Ganz wichtig: der Kofferraum. Fasst 460 Liter, sieht ganz normal aus! Der „Volvo S 80 Bi-Fuel“ hat gleich zwei Tanks in seinen Innereien versteckt, ohne dass man deshalb nur eine Kiste Bier weniger transportieren könnte – auch wenn in so einem Auto eher mal eine Kiste Wein spazieren gefahren wird.

Der 29-Liter-Tank fürs bleifreie Benzin ist nicht nur von Vorteil, wenn gerade keine Erdgas-Tanke in Sicht ist. Auch in der Startphase saugt die 2,4-Liter-Maschine erst einmal am flüssigen Kraftstoff. Wann die Maschine auf Erdgasnahrung umsteigt, konnte der Testfahrer auch bei penibler Beobachtung und Aushorchung nicht feststellen. So ist er, der S 80: Er läuft und läuft und läuft. Mit was er das tut, entscheidet er selbst – und behält es für sich. Ist das Erdgas weggeputzt, nimmt er wieder vom Flüssigen. Dem Piloten bleibt bei all dem nur eines: beide Tankanzeigen im Auge behalten und gegebenenfalls füttern.

Das geht bei der Gas-Inhalation fast wie gewohnt gewohnt (siehe unten). Der Betankungsdruck liegt bei rund 200 Bar. Je nach Außentemperatur, Erdgas- und Druckqualitäten an den Tankstellen variiert die Betankungsmenge. Der durchschnittliche Tankinhalt beläuft sich auf 23 Kubikmeter beziehungsweise 19 Kilogramm. Das ganze ist unsichtbar am Wagenboden untergebracht.

Doch grau ist alle Theorie, und der große Schwarze will endlich ausgeführt werden. An die 5-Gang-adaptiv-Automatik braucht sich der Testfahrer gar nicht erst zu gewöhnen (war da mal was mit Selberschalten?). An die ABS-Scheibenbremsen mit „Emergency Brake Assistance“ (EBA) schon: Die erste Ampel naht. Rot. Rechter Fuß nach unten. Auto steht. 15 Meter vor der Kreuzung. Bremsen kann er also, der S 80.

Die Sache mit der Beschleunigung hat sich der Testfahrer allerdings etwas anders vorgestellt: Sachter Druck mit dem rechten Fuß hat eine Beschleunigung zur Folge, die man bei 140 PS doch etwas saftiger erwartet hätte. Da machen sich wohl die gut 1,6 Tonnen Lebendgewicht (ohne Zuladung) bemerkbar. Wer die Karosse aus dem Stand heraus richtig auf Trab bringen will, muss ordentlich durchtreten. Von null auf hundert geht’s in 11,0 Sekunden. Bei Benzinbetrieb macht der Proband den Job noch eine halbe Sekunde schneller.

Aber so etwas tut man mit dem S 80 eigentlich nicht. Der schnieke Schwede ist schließlich eine ausgewachsene Limousine für vernünftige Menschen und kein windiger Sportflitzer für postpubertäre Möchtegern-Schumis. Und wenn’s doch mal schnell gehen soll: 205 Stundenkilometer Spitze kann er, Ehrensache! Merken tut man davon allerdings nichts („Irgendwie kam mir die Rückfahrt kürzer vor“). Und so gehört sich das auch.

Statt von Motorengedröhn sind die Insassen des S 80 mit Ambiente umgeben. Das fängt beim Fahrtkomfort an – selbst an der Computertastatur degenerierte Journalisten können das 1,6-Tonnen-Gefährt mit den kleinen Finger wenden – und setzt sich bei der Innenausstattung fort: Allein die anthrazitfarbenen Ledersitze, weiß der Hersteller selbstbewusst zu berichten, gehören „zu den komfortabelsten in der Automobilwelt“. Dank Staub-und-Pollen-Filter ist die Luft im Wagen besser als die Außenluft. Da der Erdgasantrieb den Kohlendioxidausstoß um rund 20 Prozent verringert, ist die so schlecht ja ohnehin nicht. Zur technischen Ausstattung bleibt zusammenfassend nur zu sagen: An all den kleinen Knöpfen von Klimaautomatik, Geschwindigkeitsregelanlage, integriertem GSM-Telefon, Handy-Freisprecheinrichtung und was es sonst noch an Zubehör gibt, kann man sich im Verlaufe einer Testfahrt sowieso gar nicht satt spielen.

Noch ein letztes Mal entspannt durch die Stadt cruisen – und dann kommt der Moment des Abschieds. Keine großen Worte: Wir hatten uns schnell aneinander gewöhnt, die Wohlfühl-Limousine und der Testfahrer. Nur dass der S 80 mit Erdgas fährt, davon hat er mich herzlich wenig spüren lassen.

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