: Reiten für den Bundesadler
Ostermontag geht die Reiterstaffel der Berliner Polizei im Bundesgrenzschutz auf. Nur was sie dort tun soll, weiß keiner. Im Gegensatz zu den Pferden haben die 70 Beamten ein halbes Jahr Bedenkzeit
von PLUTONIA PLARRE
Nur die Pferde sind nicht gefragt worden. Aber Orlando, Pilot, Everest, Golan und den anderen 40 Polizeigäulen ist es auch ganz egal, ob ein Schutzpolizist oder Bundesgrenzschützer auf ihrem Rücken sitzt. Grün ist grün. Was kümmert es schon, dass statt des Bären der Bundesadler auf dem Uniformärmel ist. Hauptsache das Futter stimmt, wenn die Reiterstaffel der Berliner Polizei am Montag im Bundesgrenzschutz (BGS) aufgeht. Der BGS ist die letzte Rettung, nachdem der rot-rote Senat beschlossen hatte, die mit 800. 000 Euro im Jahr zu Buche schlagende Reiterstaffel aus Kostengründen aufzulösen.
Ostersonne hin oder her: Den Polizeireitern, 70 Damen und Herren an der Zahl, ist nicht nach Freude zu Mute. „Die Stimmung ist verhalten“, sagt ein Wachleiter der Reiterwache Grunewald. „Die Kollegen wissen nicht, was auf sie zukommt“. Immerhin: Im Gegensatz zu den Pferden haben die Reiter die Wahl. Ab dem 1. April sind sie zwar formal dem BGS unterstellt, aber nur im so genannten Abordnungswege. „Bis zum 31. Dezember kann jeder entscheiden, ob er endgültig zum BGS will, oder lieber bei der Berliner Schutzpolizei bleiben möchte“, sagt der Direktor beim Polizeipräsidenten Michael Wilhelm, noch zuständig für die Reiterstaffel. Wer nicht zum BGS wolle, brauche keine Sorge zu haben, dass für ihn dann nur der Funkwagen bleibe: „Wir werden uns bei jedem um eine individuelle Lösung bemühen“.
Auch wenn es keiner offen ausspricht: Der BGS ist für einige Angehörige der Reiterstaffel so etwas wie ein anderer Stern. Dann könne man gleich zur Bundeswehr gehen, sagt ein Beamter sarkastisch. Eine Zeitungskarikatur, die in der Wachstube der Reiterstaffel an der Wand hängt, bringt es so auf den Punkt: Ein Cowboy mit den Gesichtszügen des US-Präsidenten George W. Bush prescht mit seinem Pferd zu einem Wegweiser, auf dem „Irak“ zu lesen ist. Im Hintergrund stehen Außenminister Joschka Fischer und Gerhard Schröder. „Und wenn er uns um Beistand bittet?“ fragt Fischer den Kanzler. „Dann schicken wir ihm unsere Polizeipferde“, antwortet Schröder.
Am Mittwoch war beim BGS in Ahrensfelde Einkleidung. Nur Hemden, Jacken und Mützen gab es für die Reiter neu. Mützen Größe 56 waren allerdings so knapp, dass der eine oder andere Bär nun per Hand von der alten Kopfbedeckung abgetrennt und durch den „Pleitegeier“ (O-Ton eines Beamten) ersetzt werden muss.
Der neue Staat ist da. Was fehlt, sind die Inhalte. Eine Einführung in die Aufgaben des BGS wird den Reitern erst am Dienstag zuteil. Was also tun am Ostermontag, wenn die Staffel erstmals für Otto Schily reitet? Grenzen, Flughäfen, Bahnanlagen und das Regierungsviertel bestreifen, wie es Aufgabe des BGS ist? Die Grenze hat das Bundesinnenminsterium bereits ausgenommen.
Klar ist nur eines: Mit dem Schreiben von Ordnungswidrigkeiten ist es vorbei. „Ordungswidigkeiten waren unser Leben“, sagt ein Beamter und Wehmut schwingt mit. Nun sei niemand mehr da, der in den Berliner Wäldern und Parks aufpasse, dass Hunde an die Leine genommen, weder wild gecampt noch Feuer gemacht werde.
Zumindest was die Standorte angeht, bleibt vorerst alles beim Alten. Die Wache in Grunewald wird der Bund drei Jahre mietfrei für die Reiterstaffel nutzen. Die Wache in Spandau sogar zehn Jahre. Vom Heuballen über den Sattel, Fußkratzer bis zur Mistgabel und Schubkarre – jedes Detail ist für die Übergabe feinsäuberlich aufgelistet worden.
Der BGS, der bislang keine Pferde sein Eigen nannte, „muss wissen, was ihn erwartet“, meint der Leiter der Reiterstaffel, Helmut Kannengießer. Nur das Futter ist fast alle. „Da kann der BGS gleich neues kaufen: pro Tag und Pferd 7 Kilo Heu und 5 Kilo Hafer“.
Nur Rüdiger Schilling ist richtig froh. Ebenso wie zehn andere Pferdepfleger hat ihn der BGS vor der Arbeitslosigkeit bewahrt. Mit 45 wäre es für Schilling schwierig geworden. „Der Zoo baut ja auch ab“. Jetzt bleibt für ihn alles beim Alten: Ausmisten, Füttern, Putzen. Nur eines will dem früheren Berufsreiter von der Galopprennbahn Hoppegarten nicht aus dem Kopf. „Was ist, wenn eine neuen Regierung rung findet, dass der BGS keinen Beritt braucht?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen