„Schwierig waren die Erholungsphasen“

Für den Tierfilm „Nomaden der Lüfte“ hat sich der französische Regisseur Jacques Perrin mit Zugvögeln angefreundet

taz: Herr Perrin, wie halten Sie es mit dem Verzehr von Gänse- und Entenfleisch?

Jacques Perrin: Aus Gänsefleisch mache ich mir gar nichts, Ente esse ich selten. Doch es gab Zeiten, in denen ich sogar Foie Gras nicht widerstehen konnte. Aber wenn man einmal sieht, wie diese Gänseleberpastete angerichtet wird, vergeht einem der Appetit. Meine Frau, die der Natur sehr viel näher steht als ich, wäre auf keinen Fall einverstanden, wenn sie bei uns auf den Tisch käme.

Um nahe an die Vögel heranzukommen, haben Sie bereits 1989 begonnen, viele Arten auf Ihrem Landsitz in der Normandie nach der Methode des Verhaltens- und Gänseforschers Konrad Lorenz zu gewöhnen. Wie ging das vor sich?

Das Training setzt schon vor dem Schlüpfen der Küken ein. Durch die Schale hören sie Geräusche von ihren künftigen Ersatzeltern, die sie prägen werden. Junge Biologen und Veterinäre haben sich dieser Aufgabe liebevoll gewidmet. Sie sprachen mit den Eiern wie mit Kindern. Jeder Tierpfleger war für 20 bis 30 Vögel verantwortlich. In den ersten Tagen haben die Betreuer ihre Küken dicht am Körper getragen. Nach dreieinhalb Monaten unternahmen wir die ersten Flugversuche. Die Küken sind zunächst auf unserem Trainingsfeld hinter uns hergetrippelt. Die Geräusche von den Fluggeräten hörten sie schon durch die Eierschale, folglich waren sie ihnen vertraut.

Welche Fluggeräte benutzten Sie für die Dreharbeiten?

Wir waren überwiegend in einem Ultraleichtflugzeug unterwegs. Der Kameramann saß ganz vorn, in einer Schale an der Spitze einer langen Eisenstange. Außerdem hatten wir Fallschirme dabei, an denen es sehr schwierig war, eine Kamera zu befestigen. Sie wurden über Strömungen für Raubvögel oder Störche gebraucht, die im Gleitflug segeln. Andere Arten fliegen langsamer, dafür haben wir unseren Lenkballon, manchmal auch einen Heißluftballon benutzt. Darin kann es einem ganz schön schwindelig werden, weil die Vögel in hohem Tempo um einen herumkreisen. Zusätzlich hatten wir auch einen Hubschrauber für die wilden Vögel, die man mit einer speziellen Kamera auch über 500 Meter Entfernung nah heranzoomen kann.

Wie viele Kilometer hat Ihr Team die Vögel begleitet?

Drei Regisseure und 14 Kameraleute haben sich die Wegstrecken geteilt. Die Vögel waren ja geprägt, insofern brauchten wir sie nicht auf der ganzen Strecke immer zu begleiten. Insgesamt haben wir etwa 15.000 Flugkilometer absolviert.

Ist dabei alles gut gegangen?

Es war zwar schwierig, das Konzept umzusetzen, aber Katastrophen blieben uns erspart. Manchmal sind die Vögel etwas weiter weggeflogen, und wir kamen nicht hinterher, manchmal sind wir vorneweg geflogen, und die Vögel flatterten unseren Leuten hinterher. Dabei hat sich eine enge Beziehung zwischen Menschen und Tieren entwickelt. Die Vögel blieben sogar teilweise so dicht bei uns, dass wir aufpassen mussten, ihre Flügelspitzen mit unseren Geräten nicht zu verletzen. Deshalb musste man sie gelegentlich vom Flugzeug etwas wegschubsen. Schwierig gestalteten sich auch die Erholungsphasen. Die Vögel können sich mühelos auf einem Baumwipfel oder Felsen ausruhen, aber mit den Maschinen ist das kaum möglich.

In einigen Szenen kommen Vögel auf brutale Weise um. Gab es keine Chance, die Tiere zu retten?

Wir zeigen bewusst die Gefahren, denen die Tiere ausgesetzt sind. So hat zum Beispiel die kanadische Regierung vor einigen Jahren hunderttausende von Schneegänsen zum Abschuss freigegeben mit dem Argument, ihre Population habe sich angeblich zu stark vermehrt. Die Jäger stehen auf einem riesigen Feld, dagegen konnten wir kaum einschreiten. Andere Vögel haben wir retten können. Denn natürlich wollte ich nicht unsere Mitgeschöpfe für einen Film absichtlich leiden lassen. Zum Beispiel haben wir den Vogel mit dem gebrochenen Flügelchen gerettet, dem die Krebse am Strand auflauern. Wir haben ihn aus ihren Klauen befreit und einen Fisch als Beute unter den Krebsen versteckt. Übrigens ist die Verschmutzungsszene vor der Fabrik manipuliert. Die Vögel sind nicht in Öl, sondern in Haferschleim kleben geblieben. Nachdem die Szene im Kasten war, haben wir sie mit Wasser abgespritzt.

INTERVIEW: KIRSTEN LIESE

„Nomaden der Lüfte“. Regie: Jacques Perrin, Frankreich/ Deuschland/ Spanien 2001, 99 Min.