: Der große unbekannte Herr der Schläfer
Abu Subaidah ist der höchstrangigste mutmaßliche Al-Qaida-Führer, den die USA bisher gefangen nehmen konnten
Es hat fünf Tage gedauert, um ihn nach seiner Verhaftung zu identifizieren. Und auch am Dienstag bezeichnete ein US-Regierungssprecher die Beweise für seine Identität nur als „überwältigend stark“, was Restzweifel eben nicht ausschließt. Kein Wunder. Denn der Mann, den die US-Regierung jetzt für Abu Subaidah hält und dessen voller Name Syn Abidin Mohammed Hussein abu Subaidah lautet, soll mindestens 37 Decknamen haben und ein Verwandlungskünstler sein, von dem es kaum Fotos gibt.
Der etwa 30-jährige Palästinenser, der in Saudi-Arabien geboren wurde, ist das hochrangigste mutmaßliche Mitglied der Terrororganisation al-Qaida, das die USA bisher fassen konnten. Während Subaidah in mancher Meldung schon als Ussama Bin Ladens „rechte Hand“ bezeichnet wird, führte ihn die US-Bundespolizei FBI merkwürdigerweise gar nicht in ihrer Liste der meistgesuchten Terroristen.
Abu Subaidah wurde am vergangenen Donnerstag bei einer Razzia in der pakistanischen Industriestadt Faisalabad verhaftet und bei einem Fluchtversuch durch drei Schüsse schwer verletzt. An der Aktion, bei der 60 andere mutmaßliche Terroristen verhaftet wurden, waren auch der US-Geheimdienst CIA und das FBI beteiligt. Die Verhafteten wurden am Sonntag US-Behörden übergeben und werden zur Zeit an einem unbekannten Ort festgehalten. Bald sollen sie zu den anderen Gefangenen nach Guantanamo gebracht werden.
Es wird vermutet, dass sich Subaidah nach dem Sturz der afghanischen Taliban nach Pakistan absetzte, um dort das Al-Qaida-Netzwerk neu aufzubauen. Er soll inzwischen einer der führenden Köpfe der Organisation sein. In manchen Berichten wird er gar als neuer Al-Qaida-Militärchef bezeichnet, nachdem der bisherige Militärführer Mohammed Atef im vergangenen November bei einem US-Bombenangriff ums Leben kam. Die USA versprechen sich jetzt von Zubaidah Informationen über geplante Anschläge und den Aufenthaltsort von Bin Laden und seinen mutmaßlichen Stellvertreter Ayman Sawahiri.
Subaidah werden enge Beziehungen zu palästinensischen und jordanischen Gruppen nachgesagt. Für al-Quaida soll er in den 90er-Jahren vom pakistanischen Peschawar aus Aktivisten rekrutiert und ihre Ausbildung betreut haben. Subaidah galt als Verwalter der Trainingscamps. Auch soll er der Kontaktmann zwischen der Führung um Bin Laden und den operativen Terrorzellen gewesen sein. Damit kontrollierte er die so genannten Schläfer, die nach Jahren eines Lebens als unbescholtene Bürger plötzlich zuschlagen.
Für die Beteiligung an Anschlagsplanungen wurde er im vergangenen Jahr bereits in Jordanien zum Tode verurteilt. So soll er einen Anschlag auf den Flughafen von Los Angeles und auf ein von US-Touristen besuchtes Hotel in Jordanien geplant haben.
Die USA kamen ihm auf die Schliche, weil sie seine Handynummer im Speicher des Mobiltelefons eines Mannes fanden, dem Planungen für einen Anschlag auf die US-Botschaft im bosnischen Sarajevo vorgeworfen werden. Subaidah soll ebenfalls an Planungen für einen Anschlag auf die US-Botschaft in Paris beteiligt gewesen sein. Die nächsten Monate dürften zeigen, ob er wirklich so eine wichtige Rolle gespielt hat, wie jetzt behauptet wird. SVEN HANSEN
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