9.000 klappsitze: Demokratisches Experiment
Nein, Häme ist nicht angebracht. Vielmehr Ernst, staatsmännischer Ernst sogar. Die Rede ist von den 9.000 ausrangierten Klappsitzen aus dem Olympiastadion, die noch immer im Sportforum Hohenschönhausen zwischengelagert sind.
Kommentar vom HAUSMEISTER
Wir erinnern uns. Vor zweieinhalb Jahren fand das erste Spiel des hiesigen Fußballvereins Hertha BSC in der Champions League statt. Da die Uefa für die höchste europäische Fußballklasse Klappsitze in den Stadien zwingend vorschreibt, hieß es für den damaligen Bausenator Jürgen Kleemann: handeln. Also kratzte er bei den Klappstuhlherstellern der Republik die Lagerreste zusammen, klaute aus dem Jahnsportpark noch ein paar Sesselchen, und fertig war das Champions-League-taugliche Olympiastadion. Doch dann verlor Hertha, und die Sitze standen dumm rum.
Doch nun naht die Rettung. Spätestens nach den Bundestagswahlen am 22. September wird man die Dinger wieder brauchen. Dann nämlich, so heißt es aus Hausmeisterkreisen, soll in Berlin ein demokratisches Experiment stattfinden. Wenn nämlich weder Kanzler Schröder noch Kandidat Stoiber über eine ausreichende Mehrheit verfügen, könnten die Stammesfürsten, regionalen Herrscher und selbst Warlords wie Rudi Scharping zur ersten Loja Dschirga in der Geschichte der Bundesrepublik zusammenkommen. Ihr Ziel: Die Wahl eines Übergangspräsidenten.
Das Ereignis soll übrigens, wie unter uns Hausmeistern kursiert, nicht im Olympiastadion stattfinden, sondern in der Hasenheide. Dort gibt es nämlich genügend schwarzen Afghanen. Bei schlechtem Wetter fällt die Loja Dschirga aus.
… und sonst SEITE 34
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen