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Vorwärts immer, rückwärts nimmer!

Die deutsche Hochschullandschaft erneuert sich doch: Das Studium wird flexibler und schneller, der Weg in die Wissenschaft kürzer, das Angebot vergleichbar. Die Richtung stimmt, aber es muss noch mehr getan werden

Zwei Jahre ist es nun her, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder eine akademische Spezies einführte, die inzwischen schon längst wieder aus der öffentlichen Diskussion verschwunden ist: „Computer-Inder“, hoch qualifizierte Migranten, ohne deren massenhaften Zuzug, so hieß es, die damals noch florierende New Economy nicht würde überleben können. Wo das massenhafte Fehlen von IT-Spezialisten einmal konstatiert wurde, konnte eine Debatte über das deutsche Bildungssystem nicht weit sein: Wenn sich nicht schleunigst etwas täte, tönte auch die Kultusministerkonferenz, würde die Wissensgesellschaft künftig ohne die Deutschen stattfinden.

Uni stiftet Identität

Dabei hat sich in der deutschen Hochschullandschaft seit den frühen 70ern nicht mehr so viel bewegt wie in den vergangenen Jahren: Master- und Bachelor-Studiengänge ermöglichen ein flexibleres und schnelleres Studium, Juniorprofessuren den kürzeren Weg zur Professur, Hochschulrankings eine bessere Vergleichbarkeit der Unis und Fachhochschulen, die Gründung von Alumni-Vereinen eine Rückbesinnung auf die Identifikation mit jener Einrichtung, die Akademiker zu dem macht, was sie sind: Menschen mit einer weit unterdurchschnittlichen Arbeitslosenquote von weniger als fünf Prozent. Und ausgerechnet in Berlin, einer Stadt, in der seit dem Mauerfall jeder vierte Studienplatz abgebaut wurde und deren beispiellose Finanzkrise auch vor den Hochschulen nicht Halt macht, lassen sich nicht nur an den traditionell wendigeren Fachhochschulen, sondern auch an den großen Universitäten jede Menge innovativer Ansätze aufweisen.

Und in der Tat: die Studierendenzahlen steigen. Insgesamt waren im vergangenen Wintersemester 138.000 Studierende eingeschrieben – drei Prozent mehr als im Vorjahr.

Inwieweit das allerdings auf universitäre Reformen zurückzuführen ist, ist bisher nicht belegbar: Nach den Erkenntnissen der jüngsten Studienanfänger-Erhebung des Hannoveraner Hochschul-Informations-Systems (HIS) steigen die Zahlen zurzeit vor allem auf Grund des Eintritts geburtenstarker Jahrgänge ins studierfähige Alter; auch entscheiden sich bisher gerade einmal sechs Prozent der Studierenden für einen Bachelor-Studiengang. Und: Jene 80 Prozent, die einen Bachelor für sich von vornherein ausschließen, tun das vor allem wegen der noch völlig unklaren Arbeitsmarktchancen für Absolventen.

Letzters allerdings könnte sich bald ändern. Grundsätzlich jedenfalls gilt bereits jetzt, so sagt Ulrich Heublein, Verfasser der HIS-Studie: „Praxisorientierung wird immer wichtiger für eine Studienentscheidung.“ Allerdings geht aus der Studie auch hervor, dass sich die Mehrzahl der wenigen, die sich bisher für einen BA entscheiden, die Möglichkeit, im Anschluss einen Master-Studiengang zu absolvieren, offen halten will.

Mehr Fachhochschüler

Ginge es nach dem Wissenschaftsrat, der im Jahr 2000 seine Empfehlungen zur hiesigen Hochschullandschaft vorlegte, würde in Berlin die gesamte Hochschullandschaft ohnehin revolutionär in Richtung Praxis gewendet: Statt wie bisher 22 Prozent, so fordert der Wissenschaftsrat nämlich, sollten künftig 40 Prozent aller Berliner Studierenden an Fachhochschulen immatrikuliert sein – nur so könne das Berliner Hochschulsystem nachfragegerecht und finanzierbar gemacht werden.

Doch auch inwieweit ein massiver Ausbau der Plätze an Fachhochschulen – und ein gleichzeitiger Abbau der universitären Studienplätze – akzeptiert werden würde, ist noch völlig unklar. Denn gerade Abiturienten, insbesondere jene mit guten oder sehr guten Noten, tendieren nach wie vor stärker zu einer universitären Ausbildung – und nehmen dafür offenbar auch längere Studienzeiten in Kauf.

JEANNETTE GODDAR

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