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Aus der Linkskurve getragen

Bei der SPD in Sachsen-Anhalt übernimmt der bisherige Innenminister Manfred Püchel das Steuer – ein erklärter Gegner der PDS-Tolerierung

MAGDEBURG taz ■ Der scheidende Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) wurde am Wahlabend nur noch einmal gesehen, nachdem er seinen Rückzug aus der Landespolitik erklärt hatte. Für wenige Minuten besuchte er die wenig fröhliche Wahlparty der Sozialdemokraten vor dem Ernst-Reuter-Haus in Magdeburg. Neben einigen tröstenden Worten fiel das Wort vom „Neuanfang“ in der Landes-SPD.

Von einem solchen Neubeginn sprachen an diesem Abend noch mehrere Genossen. Und es gibt bereits einen Namen, der diesen Versuch des Aufrappelns verkörpert: Manfred Püchel. Der bisherige Innenminister errang am Sonntag das einzige Direktmandat. Aller Voraussicht nach wird er die (Oppositions-)Fraktion im Landtag anführen, die auf 24 Abgeordnete geschrumpft ist.

Schon am Wahlabend nahm Püchel in diversen Talk- und Elefantenrunden die Stelle Höpnners ein. Nach und nach hellte sich das Gesicht des Mannes wieder auf, dessen Witz und Schlagfertigkeit zunächst dem Schock über das Wahlergebnis gewichen waren.

Auf der Wahlparty wurde er mit leisem Spott empfangen: „Der große Retter kommt.“ Optimismus wusste er vorerst nur mit dem Hinweis auf die enorm hohe Zahl von Wechselwählern zu verbreiten: Vor vier Jahren habe die CDU einen ähnlichen Absturz erlebt wie nun die SPD – warum sollte es in weiteren vier Jahren nicht andersherum kommen?

Schon vor der Wahl galt Püchel als der eigentlich starke Mann in der Magdeburger SPD. Allerdings zählte er zu den Skeptikern gegenüber der PDS – und hätte im Wahlkampf lieber eine Koalitionsaussage zugunsten der CDU gesehen. Vermutlich werden sich an Püchel weiterhin die Geister scheiden. Der Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Magdeburger Landtag, Jens Bullerjahn, warnte jedoch vor neuen Grabenkämpfen – und signalisierte, dass Püchel auch mit der Unterstützung durch bisherige Verfechter der PDS-Tolerierung rechnen könne.

Der bisherige SPD-Landesvorsitzende Rüdiger Fikentscher, ein Befürworter des „Magdeburger Modells“, wird sich aus der Politik zurückziehen. Er wolle nur noch den Aufbau einer schlagkräftigen Landtagsfraktion moderieren, sagte er am Abend. Dort werde es dann nicht mehr um lukrative Posten, sondern nur noch um harte Arbeit gehen. Am Samstag wird ein Sonderparteitag über den künftigen Kurs der SPD in Sachsen-Anhalt beraten.

Böse Worte gegenüber der Berliner Parteizentrale oder in Richtung Bundeskanzler waren nicht zu vernehmen. Auch wenn Gerhard Schröders Versuch, die Niederlage auf lokale Ursachen zurückzuführen, einem gängigen Ritual folgte: Diesmal dürfte er mit der Schuldzuweisung an die Landespartei Recht haben (siehe Kasten auf der linken Seite).

Ein weiteres Problem brachte der neue Hoffnungsträger Püchel auf den Punkt: In ganz Ostdeutschland könnte die Konkurrenz zweier Linksparteien auf Dauer zu Lasten der SPD gehen. Darüber grübeln bereits die Genossen in Sachsen und Thüringen nach, wo die PDS bei den letzten Landtagswahlen ebenfalls an der SPD vorbeigezogen ist.

MICHAEL BARTSCH

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