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Wo Bin Laden und ein Christ Helden sind

Mali wählt am Sonntag einen neuen Präsidenten. Gute Chancen hat der christliche Exgeneral Amadou Toumani Touré, der das islamische Land vor zehn Jahren in die Demokratie führte. Religiöse Spannungen hat Mali bisher vermieden

COTONOU taz ■ Amadou Toumani Touré hatte die islamischen Führer damals vor den Kopf gestoßen. Sein Antrittsbesuch als neuer Staatschef 1991 galt nicht einem der muslimischen Oberhäupter Malis, sondern dem katholischen Bischof. Amadou Toumani Touré – oder „ATT“, wie der Exgeneral oft gerufen wird – bekennt sich zum Christentum. Das ist eine Seltenheit in dem Sahelstaat mit 10 Millionen Einwohnern, fast alles Muslime.

Wenn am Sonntag fast sechs Millionen Malier unter 24 Kandidaten einen neuen Präsidenten auswählen, werden dem Christen ATT allerdings die besten Chancen eingeräumt. Nicht nur in dieser Hinsicht beginnt in Mali mit dieser Wahl eine neue Ära. Der bisherige Präsident Alpha Oumar Konaré tritt nach zehn Jahren als gewählter Staatschef ab. Konaré ist ein persönlichkeitsstarker Präsident und machte Karriere in der viel beschworenen Zivilgesellschaft: Er trägt einen Doktortitel und verlegte in den Zeiten der Militärdiktatur vor 1991 eine Oppositionszeitung. Wie kein anderer Politiker des Landes verstand er es, die unterschiedlichen Ethnien und Vorstellungen des Islam in Mali koexistieren zu lassen. Nun müssen sie das ohne ihn tun, eventuell unter einem christlichen Präsidenten.

Als Held, der die schlimmen Jahre der Diktatur beendete und dann die Macht freiwillig wieder abgab, wird „ATT“ noch heute in Mali geschätzt. Man achtet ihn als engagierten, mitfühlenden Menschen. Viele achten ihn allerdings so sehr, dass sie ihn lieber als den unantastbaren Helden sehen, der er bisher war, denn als Präsident, wo er sich nur die Hände schmutzig machen kann.

Unumstritten ist Konarés Erbe nicht. Es gibt einige, die ihm nicht über den Weg trauen und das internationale Lob für seine wirtschaftlichen und reformpolitischen Erfolge der letzten zehn Jahre nicht nachvollziehen können. Im Sommer 2001 spaltete sich sich die Regierungspartei Adema (Allianz für Demokratie in Mali). Nun konkurrieren aus dem einst großen Konaré-Block zwei Kandidaten gegeneinander: der ehemalige Premierminister und reiche Geschäftsmann Ibrahim Boubacar Keita, der von 16 Parteien auf den Schild gehoben wurde, und der offizielle Adema-Kandidat Soumaila Cissé, Ökonom und früherer Bauminister.

Diese Spaltung erhöht eventuell ATT‘s Chancen bei der Wahl. Vielleicht aber helfen andere Aspekte von Konarés Hinterlassenschaft eher den beiden Schwergewichten Keita und Cissé. Abgesehen von den Problemen in seiner Partei hatte es Konaré verstanden, an zwei Sollbruchstellen in der malischen Gesellschaft Spannungen abzubauen: im Tuareg-Gebiet im Norden Malis und beim Einfluss islamistischer Gruppen.

Die Tuareg-Nomaden beendeten 1996 ihre lang andauernde Rebellion gegen Malis Zentralregierung; seither konnte der Norden wieder politisch und sozial in das Land eingebunden werden. Deutsche Entwicklungsorganisationen wie die „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ und die „Deutsche Welthungerhilfe“ sind heute wichtige Partner im Aufbau des abgelegenen, wüstenhaften Tuareg-Gebietes, was beim Staatsbesuch von Bundespräsient Johannes Rau im Februar unterstrichen wurde. Damals erhielt Konaré auch das deutsche Bundesverdienstkreuz.

Alpha Oumar Konaré hat es auch verstanden, den islamischen Einfluss auf die Politik in geordnete Bahnen zu lenken. Mali gilt als Land mit einem toleranten Islam, und die wichtigen religiösen FührerMalis bestreiten nicht die säkulare Ausrichtung des Staates. Aber nach den Terroranschlägen des 11. September in den USA drohte die Stimmung zu kippen. In der Hauptstadt Bamako gab es Demonstrationen für Ussama Bin Laden. Der Imam Mamoud Dicko schaffte es damals, die meist jugendlichen Protestler zu bändigen und dem Antiamerikanismus nicht das Feld zu überlassen – Mali ist auch ein Lieblingspartner der USA in Westafrika. Dicko wird seither als ein wichtiger Sprecher der islamischen Gruppen gesehen, die zuvor äußerst gespalten waren.

Selbst Mamoud Dicko forderte nun in einem 30-Punkte-Papier an die Präsidentschaftskandidaten das Schließen von Bars und Bordells in Wohnvierteln. Trotzdem sieht er sich nicht als Scharia-Eiferer, wie Mitgläubige zum Beispiel in Nigeria – aber er will mehr islamischen Einfluss auf die Gesellschaft und Politik sehen. Der kommende Präsident würde ein Vertreter der malischen Muslime sein und nicht ein dem Westen genehmer Kandidat, sagte Mamoud Dicko auf einer Kampagne in der Tuareg-Stadt Timbuktu. Die alte Stadt islamischer Gelehrter war im Mittelalter ein Zentrum des toleranten Islam. Aber falls ATT siegt, kommt eben kein islamischer Wunschkandidat an die Macht.

Wer immer auch Präsident des westafrikanischen Landes wird, das wesentliche Ressourcen aus dem Baumwollanbau erwirtschaftet, kennt schon jetzt die Probleme, mit denen er zu kämpfen haben wird: stark ansteigende Armut, Defizite bei Bildung und medizinischer Versorgung, Korruption. Mali nimmt am Entschuldungsprogramm des Internationalen Währungsfonds für stark verschuldete, arme Staaten teil. Aber seine Schuldenlast ist mit dem Austragen der afrikanischen Fußballmeisterschaft Anfang des Jahres durch den Bau von Stadien und anderer infrastruktureller Projekte noch einmal angestiegen. Viele sahen das als das krönende, wenn auch teure Abschiedsfest der Ära Alpha Oumar Konaré.

HAKEEM JIMO

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