: Horrorszenario aus dem Gentech-Land
■ Mehr Gift auf den Feldern, schlechtere Ernten, Bauern in Leibeigenschaft: Percy Schmeiser berichtete Gen-Technik-Gegnern bei Rotenburg aus Kanada
Umgerechnet 100.000 Euro Lizenzgebühren fordert der Gen-Tech-Multi Monsanto von dem kanadischen Farmer Percy Schmeiser – für genmanipulierten Raps, den Schmeiser nie wollte: Der Monsanto-Samen hatte sich über den Wind auf seine Felder ausgebreitet. Am Donnerstagabend war der Gen-Tech-Kritiker, der für sein Engagement gegen die Agro-Konzerne bereits mit dem Mahatma-Gandhi-Preis ausgezeichnet wurde, im Dörfchen Riepe bei Rotenburg zu Gast. Sein Resümee nach fünf Jahren Gen-Anbau in Kanada, das er vor VertreterInnen von Bürgerinitiativen aus ganz Nordwestdeutschland zog, ist knapp: „Heute gibt es in ganz Kanada keinen gentechnikfreien Raps und Soja mehr.“
Eine ähnliche Situation könnte bald auch hierzulande eintreten: Zwar gab Monsanto erst unlängst bekannt, dass es seinen Versuch mit genmanipuliertem Mais in Helvesiek bei Rotenburg nicht mehr fortsetzen wolle. Monatelange Protestaktionen der örtlichen Bürgerinitiative hatten den Konzern vergrault. Doch die große Gen-Welle steht erst noch bevor. 50 Tonnen genmanipulierten Mais hat das Bundessortenamt dieses Jahr bereits zum Anbau freigegeben. „Das kann jetzt ohne weitere Genehmigung und ohne jede Sicherheitsvorkehrung ausgesät werden“, sagt Imke Ide von Greenpeace. Niemand weiß zudem, wie lange die EU-Länder ihr Moratorium bei der Zulassung von neuen Genen noch aufrecht erhalten. Angela von Beesten von der Helvesieker Bürgerinitiative „Gemeinsam gegen grüne Gentechnik“: „Wir befürchten, dass auch in Europa genmanipuliertes Saatgut bald im großen Stil zugelassen wird.“
Schmeiser hatte 50 Jahre lang Raps auf seinen Feldern in der kanadischen Provinz Saskatchewan angebaut – mit eigenem, selbst gezüchtetem Saatgut. 1996 brachte der Gen-Multi Monsanto dort seinen genmanipulierten Raps auf den Markt. Der Wind trieb die Pollen überall hin – auch auf Schmeisers Felder. Mit fatalen Folgen: „50 Jahre Zuchtarbeit sind kaputt.“
Dass die Pollen von genmanipulierten Pflanzen nicht an der Ackergrenze Halt machen, konnten die Helvesieker bereits vor ihrer eigenen Haustür sehen: Auch die manipulierten Gene des Montanto-Mais, der dort im letzten Jahr auf einem Versuchsacker wuchs, breiteten sich aus und wurden in „normalen“ Maispflanzen in der Nachbarschaft gefunden. „Es gibt keine Koexistenz von konventionellen und genmanipulierten Pflanzen“, weiß Schmeiser aus eigener Erfahrung. Einen einmal freigesetzten überlebensfähigen Organismus werde man nicht mehr los: „Der verbreitet sich überall hin.“
In Kanada habe Monsanto den Bauern 1996 höhere Erträge, weniger Pestizide und einen besseren Nährstoffgehalt der Pflanzen versprochen, erzählt der 70-jährige Farmer. Die Realität, sechs Jahre später, sehe indes ganz anders aus: „Inzwischen landet bis zu sechsmal soviel Chemie auf den Äckern, die Erträge der Bauern sind um zehn bis 15 Prozent gesunken und ernährungsphysiologisch wertvoller sind die Gen-Sorten auch nicht.“ Stattdessen hätten die Farmer nun mit gegen alle Spritzmittel resistenten „Super-Unkräutern“ zu kämpfen.
Schlimmer noch als die ungehinderte Verbreitung der Gene stößt dem Farmer die Abhängigkeit auf, in die Bauern durch die Gentechnik geraten. Nicht nur, dass sie zusätzlich zu dem genmanipulierten Saatgut vom gleichen Hersteller auch noch die speziellen Spritzmittel kaufen müssten, die alles abtöten, was nicht genmanipuliert ist. In so genannten „Technologie-Verträgen“ mit den Bauern lege etwa Monsanto zudem fest, dass die Landwirte ihre eigene Ernte nicht wieder zur Aussaat verwenden dürften. „Der Bauer wird zum Schuld-knecht“, sagt Schmeiser. In Kanada zögen inzwischen „Gen-Polizisten“ von Farm zu Farm, um Lizenzgebühren für die Konzerne einzutreiben. Jeder bespitzele jeden. Schmeiser: „Da brechen alle sozialen Strukturen zusammen.“
In Deutschland fordert Green- peace-Frau Ulrike Brendel, die von der EU beschlossene Möglichkeit, Gene zu patentieren, nicht umzusetzen. Aus gutem Grund: Ohne die Möglichkeit, Gene zu patentieren und so genannte „Nachbaugebühren“ zu erheben, fiele der finanzielle Anreiz für die Konzerne weg.
„Ich bin nicht gekommen, um Ihnen zu sagen, was Sie zu tun oder zu lassen haben“, sagt Schmeiser: „Aber Sie haben den Vorteil, dass Sie bei uns sehen können, was auf Sie zukommen.“ hoi
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