: Ehrliche Strom-Werbung
EU will die Herkunft elektrischer Energie deklariert wissen. In Österreich schon Pflicht, in den USA in 21 Staaten. Greenpeace unterstützt Deklarationspflicht zum Tschernobyl-Tag
Über die Atomgeschäfte redet Eon nur ungern. Als der größte deutsche Kernkraftkonzern im vergangenen Jahr sein Produkt „MixPower“ in der Werbung präsentierte, war die Nuklearenergie tabu. Stattdessen warben prominente Fußballer für Strom ohne Atom. Bayern-Torwart Oliver Kahn bekannte sich zur „perfekten Mischung“ – komplett regenerativ erzeugt. Sein Teamkollege Hasan Salihamidzic mixte laut Eon „stürmisch“ – mit 70 Prozent Windkraft und einem Rest Wasser. Und auch der Dortmunder Kicker Tomas Rosicky wollte vom Atomstrom nichts wissen – und posierte für den Fotografen als großer Freund der Solarenergie.
Doch es war alles Bluff, was Eon da in seinen Anzeigen bekundete. Denn mit dem wahren Strommix des Eon-Konzerns hatten die Fußballer-Statements rein gar nichts zu tun: 25 Prozent seines Stroms bezieht das Unternehmen aus eigenen Atomreaktoren – immerhin zwölf Blöcke in Deutschland. Weitere 40 Prozent der Energie sind „grauer Strom“, dessen Herkunft Eon im Dunkeln lässt.
Vermutlich, weil ein guter Teil davon aus maroden Ostreaktoren stammt. Eon ist mit 9,3 Prozent an einem der größten Regionalversorger Russlands beteiligt, der Lenenergo. Diese bezieht laut Recherchen der Umweltorganisation Greenpeace 40 Prozent ihres Stroms aus dem Atomreaktor Sosnowi Bor, einer Anlage des Tschernobyl-Typs. Mehrfach schon war das Kraftwerk aufgrund schwerer Störfälle in die Schlagzeilen geraten.
Bislang konnte Eon diese Atom-Verflechtungen kaschieren und mit „MixPower“ blenden. Doch das soll bald anders werden. Die EU will eine seriöse Deklaration der Stromquellen einführen; die Kommission und das Parlament haben sich bereits dafür entschieden. Was das bedeutet, ist klar: Auch Kahn und Co. werden – sofern sie von Eon Strom beziehen – in Zukunft saftige Atomstrom-Anteile auf ihrer Rechnung ausgewiesen finden.
Bei den Freunden sauberen Stroms stoßen die Pläne der EU erwartungsgemäß auf große Resonanz. Und so unterstützt auch Greenpeace die Bestrebungen: Mit Protestpostkarten an Staatschefs und Wirtschaftsminister will die Umweltorganisation in Spanien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden Druck machen, damit die Deklaration nun möglichst bald kommt. Greenpeace fordert, dass Stromhändler „auf Stromrechnungen und in der Werbung offen zu legen haben, wo und aus welchen Quellen sie ihren Strom einkaufen“. Motto der Aktion: „Ich will wissen, was ich kaufe.“
Pünktlich zum 16. Jahrestag von Tschernobyl am gestrigen Freitag wurden die ersten Postkarten in Umlauf gebracht. Sie sollen entweder beim nächsten Energieministerrat oder EU-Gipfel überreicht werden, sagt Susanne Ochse, Energieexpertin bei Greenpeace Deutschland in Hamburg. Denn der Ministerrat muss als letzte Instanz die Direktive noch absegnen.
Die Atomkonzerne lieben die neue Offenheit verständlicherweise gar nicht. Entsprechend ließ sich auch keiner der vier großen deutschen Energieversorger auf eine Selbstverpflichtung ein, die Greenpeace ihnen im März unterbreitet hatte. Sie sollten sich bereit erklären „allen Kunden transparent zu machen, wie und wo der von ihnen bezahlte Strom produziert wurde“. Zugleich bat Greenpeace noch um die Zusage, dass man „die mit der Bundesregierung getroffene Vereinbarung zur Beendigung der Nutzung der Atomenergie nicht durch den Import von schmutzigem Strom aus dem Ausland unterlaufen“ werde. Doch es kam keine Antwort innerhalb der von Greenpeace gesetzten Frist. Wen wundert’s: Keiner der Konzerne dürfte derartiges glaubhaft versichern können.
Stattdessen bemüht sich die Atomlobby noch, Zweifel an der grundsätzlichen Machbarkeit der Deklaration zu schüren. Doch vergebens: Einige Industrieländer haben die Kennzeichnungspflicht längst ohne Probleme eingeführt. In Österreich gibt es sie seit vergangenem Oktober, und auch in den USA kennen bereits 21 Staaten die so genannte „Disclosure“.
Unterdessen scheinen die deutschen Verbraucher schon ein wenig im Gefühl zu haben, wessen Angaben sie vertrauen können: Gerade 1.100 Kunden konnte Eon mit seiner groß aufgemachten MixPower-Kampagne gewinnen – bei einem Werbeetat von mehr als 22 Millionen Euro nichts als ein gigantischer Marketing-Flop.
BERNWARD JANZING
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