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Bitte nur Straßburger Würstchen

„Franzosen zuerst“ lautet der Slogan der Le-Pen-Anhänger. Sie fühlen sich von ihren Gegnern terrorisiert und schmieden Pläne für die Zeit nach dem Sieg

aus Paris DOROTHEA HAHN

Die von Jean-Marie Le Pen angekündigte Flut der 100.000 hat nicht stattgefunden. Aber die weit über zehntausend Menschen, die an diesem Vormittag an der alljährlichen 1.-Mai-Demonstration der „Front National“ in Paris teilnehmen, sind bedeutend mehr als im vergangenen Jahr. Und breiter gefächert als je zuvor. In ihren Reihen marschieren neben französischen Rechtsextremen, Royalisten, katholischen Fundamentalisten und Skinheads auch zahlreiche ausländische Sympathisanten mit. Siegesgewiss schwenken sie Trikoloren, tragen von der „Front National“ ausgeteilte Transparente mit Einheitsslogans wie „Franzosen zuerst“ und skandieren immer wieder denselben Slogan: „Le Pen président“.

Der Chef der Bewegung belohnt sie mit einer mehr als eineinhalbstündigen Rede, die er vor der alten Pariser Oper hält. Hauptthema: Der „Verrat Frankreichs“. Laut Le Pen haben die „Politiker des Establishments“ das Land mit ihrer Einwanderungs-, mit ihrer Schul- und mit ihrer Familienpolitik verraten. Hasserfüllt spricht er über seinen konservativen Gegenspieler bei der Stichwahl um das Staatspräsidentenamt am kommenden Sonntag. Le Pen nennt Jacques Chirac einen „Paten der Mafia“.

Die meisten der zu der Demonstration Angereisten sind 150-Prozentige. Viele sind Parteimitglieder. Manche wählen seit Jahrzehnten „radikal rechts“, wie es in ihren Reihen heißt. Vor diesem 1. Mai sind sie von ihren Parteichefs aufgefordert worden, „jeder Provokation“ aus dem Weg zu gehen. Beim Einsteigen in die Busse, in denen die FN sie gratis nach Paris befördert hat, sind sie einzeln kontrolliert worden. Beim Umzug durch Paris werden sie auf Schritt und Tritt von dem FN-eigenen Ordnerdienst DPS beäugt. Eigens für diesen „hochsensiblen“ Tag ist er mit Leuten privater Sicherheitsdienste aufgestockt worden.

Parallel zu der rechtsextremen Demonstration findet auf der Seinebrücke Pont du Carrousel eine Gedenkveranstaltung statt. Mehrere Antirassismusgruppen haben sich an dem Ort versammelt, an dem vor sieben Jahren der Marokkaner Brahim Bouaram am Ende der 1.-Mai-Demonstration der FN in die Seine geworfen wurde. Die Versammlung für den Ermordeten, wenige Dutzend Meter von der Demonstrationsroute der Rechtsextremen, hat die Pariser Polizeiexperten ins Schwitzen gebracht.

Für diesen 1. Mai, an dem insgesamt fünf Demonstrationen durch Paris ziehen, darunter drei von den Gewerkschaften organisierte, hat die Polizei 4.500 Leute in Uniform mobilisiert. Plus eine nicht genannte Menge von Polizisten ohne Uniform. Schon Tage vorher sind sämtliche Pariser Spezialgeschäfte für Schlagknüppel und Tränengas ausverkauft. Wer die großen Posten erworben hat, ist unbekannt.

Bei den Anhängern der Front National haben Jounalisten einen schweren Stand. „Sie schreiben Lügen über uns“, lehnen viele das Gespräch ab, „das Fernsehen hetzt gegen Jean-Marie Le Pen“. Die französischen Medien bemühen sich in diesen Tagen, das Programm und die Leute hinter Le Pen zu beleuchten. Davon und von den alltäglich stärker werdenden Schülerdemonstrationen gegen Le Pen fühlen sich die Rechtsextremen „terrorisiert“. Sie wollen, dass ihr Kandidat gleich nach der Wahl „Ordnung im Land“ schafft.

Manche wagen ein Gespräch. Didier Fontaine, leitender Angestellter, erwartet, dass Le Pen am Tag nach seinem Sieg die Nationalversammlung auflöst: „Wir brauchen eine Mehrheit im Parlament.“ Stéphane Colin, arbeitsloser Arbeiter, hofft, dass Le Pen nach der Wahl Panzer in die Vorstädte schickt, „um die Rechtlosigkeit zu beenden“. Abdelkader Abdoune, der im Algerienkerieg als Harki auf Seiten der Franzosen gekämpft hat, trägt ein Transparent der Aufschrift: „Frankreich den Franzosen“. In gebrochenem Französisch beschreibt er sich als „Franzose seit 1935“ (dem Jahr der Kolonisierung Algeriens, d. Red.) und versichert, dass Le Pen „kein Rassist“ sei.

Auf einem Trottoir vor dem Louvre jubelt eine blond gefärbte Rentnerin mit heiserer Stimme „dem Präsidenten Le Pen“ zu. Ihr Gatte erklärt, dass Chirac den Franzosen Geld gestohlen habe und dass Le Pen ihn deswegen ins Gefängnis werfen werde. Eine Demonstrantin ruft dazwischen: „Vorsicht. Redet nicht mit denen.“

„Non“ steht in großen schwarzen Buchstaben auf einem weißen Betttuch, das in der eleganten Rue des Pyramides über einen Balkon im dritten Stock gehängt ist. Die Demonstranten unten auf der Straße können ihre Wut nicht zurückhalten. Trillerpfeifenpfiffe hallen durch die Straße. „Schlampe“, ruft ein alter Herr. Die Demonstrantin neben ihm sagt laut: „Die Adresse müssen wir uns merken.“

Hinter den dichten Ordnerreihen haben die Würstchenverkäufer, die jede Pariser Demonstration begleiten, Position bezogen. „Frankfurter, Straßburger, Merguez“, bieten sie an. Eine Gruppe von Demonstranten, die zusammengerollte Trikolore unter dem Arm, strebt auf den ersten Stand zu. Ein kahl geschorener junger Mann in schwarzer Bomberjacke gibt ihnen einen Tip: „Der erste Stand sind Araber. Geht zu dem zweiten. Das sind Franzosen.“

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