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„Ich glaube an das Gute im Hooligan“

Rainer Lüdtke, ehrenamtlicher Fanbeauftragter beim BFC Dynamo Berlin, sagt, dass sich der Fußballverein nur selbst aus dem Dreck ziehen kann. Sein größtes Problem: Der schlechte Ruf als Nazi-Hooligan- und ehemaliger Stasi-Club

taz: Herr Lüdtke, wie ist der BFC Dynamo noch zu retten?

Rainer Lüdtke: Nur mit einem gravierenden Schnitt, einem bedingungslosem Neuanfang. Das kann nur in der Verbandsliga geschehen. Wir müssen uns von Profi-Träumen verabschieden.

Wie ist die Stimmung bei den Fans angesichts des drohenden Totalabsturzes?

Die Fans sind deprimiert, viel Hoffnung haben sie nicht. Keiner weiß, in welche Richtung es geht. Es bleibt nur Galgenhumor, auch weil wenig Informationen zu den Fans fließen.

Wie ist die Situation für Sie persönlich?

Im Moment ist es so, dass es mehrere Gruppen im Verein gibt. Jede versucht, den Verein zu retten, allerdings mit unterschiedlichen Methoden. Für mich als Fanbeauftragten ist es sehr schwer, diesen Spagat zwischen Fans, Vorstand und Insolvenzverwalter auszuführen.

Wie war das Verhältnis zum bisherigen Vorstand?

Das sind zwei alte BFC-Fans, die seit Jahren dabei sind. Die beiden haben die Insolvenz erst möglich gemacht, das muss man ihnen zugestehen. Aber sie sind seit November kein Stück weitergekommen. Sie sagen selber, dass sie nichts erreicht haben. Deshalb muss es dringend eine Mitgliederversammlung geben, um einen neuen Vorstand zu wählen.

Warum ist ein Notvorstand installiert worden?

Es gab eine Unterschriftensammlung, um eine Mitgliederversammlung einzuberufen. Obwohl die erforderliche Menge an Unterschriften zusammengekommen ist, wurde dies vom Vorstand ignoriert. Daraufhin hat ein Trainer des BFC beim Amtsgericht Charlottenburg eine Klage eingereicht, die erfolgreich gewesen ist.

Es scheint, als wäre der Verein vom Stasi-Klub über den Nazi-Hooligan-Klub zum Hell’s-Angels-Klub mutiert. Wie geht der Verein mit diesem Imageproblem um?

Das Problem ist alt. Der BFC hat alle Images schon durch, jetzt ist der Verein angeblich ein Hell’s-Angels-Klub. Schlechter können wir es eigentlich kaum treffen. Wir versuchen aber, dagegen anzugehen. Ich habe im Verein durchgesetzt, dass wir die Hooligans nicht ausschließen, sondern in die Vereinsarbeit einbinden, etwa durch Ordnertätigkeiten. Wenn dann trotzdem mal irgendetwas war, wie im letzten Jahr beim Pokalspiel gegen Union, dann haben sie Stadionverbot bekommen. Ich habe an das Gute im Hooligan geglaubt und war damit auch erfolgreich.

Das Problem mit dem Rechtsradikalismus wird meiner Meinung nach hochgespielt. Der BFC-Fan ist ein provokanter Fan. Das war er schon immer. Er spielt mit rechten Parolen, um zu provozieren. Wir haben aber beobachtet, dass rechte Tendenzen rückläufig sind. Ich glaube, das Image, das uns am ehesten das Genick brechen kann, ist das Stasi-Image.

Spielt das eine Rolle bei der Gewinnung neuer Sponsoren?

Auf alle Fälle. Das Umfeld ist so provokant, dass viele sagen: Da machen wir lieber nichts. Wir mussten uns deshalb immer selbst aus dem Dreck ziehen. Ich habe das Gefühl, dass viele denken, diesen Verein wollen wir eigentlich weghaben.

Auch bezüglich des Senats, der es ja abgelehnt hat, den Verein zu unterstützen?

Da gibt es andere Gründe. Zwar ist Union vom Senat einmal groß unterstützt worden. Aber heute sind wir viel zu sehr in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht, um von dort Hilfe erwarten zu können. Dazu kommt, dass an allen Ecken gespart wird.

Arbeiten Sie im Augenblick ehrenamtlich?

Ich bin seit 1. November 2001 genauso arbeitslos wie alle anderen Angestellten im Verein und habe auch noch Gelder ausstehen. Ich mach das jetzt nur aus Liebe zum Verein.

INTERVIEW: SEBASTIAN HOLZAPFEL

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