BÜCHNER-PREIS: EINE SUBVENTION FÜR RÜCKWÄRTS GEWANDTE LITERATUR: Gegen die moderne Welt
Großes Schulterklopfen: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat einen guten Empfänger für die 40.000 Euro Preisgeld gefunden. Wolfgang Hilbig ist ein Schriftsteller, der gewiss alle Preise der Republik verdient – selbstverständlich auch den Büchner-Preis, gerne als bedeutendste literarische Auszeichnung hierzulande gehandelt. Als Maßnahme zur versteckten Subventionierung von Literatur ist unser ausgefeiltes Preis- und Stadtschreibersystem sowieso zu preisen.
Allerdings hat die in Darmstadt ansässige Akademie durchaus weiter gehende Ambitionen. Von ihrem ganzen Habitus her umgibt sie etwas Staatstragendes. Nicht nur ihr Eintreten für die alte Rechtschreibung weist sie als strukturkonservativ aus. Wer die Preisträger der vergangenen Jahre Revue passieren lässt, wird feststellen, dass auch ihr Literaturbegriff rückwärts gewandt ist. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Reihe vom Wahrnehmungskonservativen Arnold Stadler (Büchner-Preis 1999) über den Westskeptiker Volker Braun (2000) und die Spätavantgardistin Friederike Mayröcker (2001) bis hin zu eben Wolfgang Hilbig verlängert. Preiswürdig ist, wer mit der Gegenwart nichts anzufangen versteht und diesem Gefühl auf artistischem Niveau Ausdruck zu verleihen versteht. Die im Feuilleton gern gebrauchte Rede vom „Gegenbuch“ gegen die moderne Welt, das zuletzt mal wieder Peter Handke mit dem „Bildverlust“ vorgelegt haben soll, findet in Darmstadt ihre publizitätswirksamsten Apologeten – Handke hat den Preis ja auch schon längst.
Die Akademie in Darmstadt favorisiert offensichtlich gerade eine Literatur des Einspruchs gegen die aktuelle Konsum- und Warenwelt. Die Sache ist nur die, dass dies nicht die Literatur ist, von der gerade die interessantesten Impulse ausgehen. Es ist immer fragwürdig, Gegenlisten aufzumachen. Bis nicht, sagen wir, Rainald Goetz, Thomas Meinecke, Ulrich Peltzer oder Thomas Brussig das Preisgeld auf dem Konto hat, fragt sich, was durch den Büchner-Preis repräsentiert wird. Die Literatur, die wirklich an der Gegenwart interessiert ist, sicherlich nicht. DIRK KNIPPHALS
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