: Police Academy
Innenbehörde möchte schnell und um jeden Preis Polizei-Nachwuchs züchten, egal auf welchem Level und ob mit manipulierten Prüfungen
von KAI VON APPEN
Der nächste Hamburger Polizeiskandal kommt bestimmt. Der Grund: Die mangelhafte Ausbildung an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung / Fachbereich Polizei. Wenn Innensenator Ronald Schill und Innenstaatsrat Walter Wellinghausen (SPD) auch noch ihre Ankündigung in die Tat umsetzen, die Hochschule zur Polizei-Akademie umzuwandeln, steht nach Experten-Meinung der staatspolitische GAU bevor. Die Zahl der Studierenden für den gehobenen Dienst soll ab 1. Oktober auf 280 Personen mehr als verfünffacht werden. Nach dem Motto: „Masse statt Klasse.“ Die Folge, so Insider mit drastischen Worten: „Man führt den Müll mit allen Mitteln zum Examen, um ihn in die Uniform zu stecken.“
Wenn man Wellinghausens Träume von einer „Police Academy“ reflektiert, zugleich die Skandale an der Polizei-Uni der vergangenen Jahre Revue passieren läßt – von Hakenkreuzschmierereien über eine Beinahe-Vergewaltigung bis hin zu Polenwitzen von Dozenten – kommen unweigerlich Assoziationen zum gleichnamigen Hollywood-Film auf. Erst vor wenigen Wochen gab die Polizei-Uni einem solchen Vergleich wieder Nahrung, als Professor Karlheinz Merten, nach seinen Angaben mit Billigung der Innenbehörde, Klausurinhalte preisgegeben hatte, damit die Durchfallquote bei den Examen für KommissarsanwärterInnen gering bleibt.
Das ist nach Informationen der taz hamburg allerdings nur die Spitze des Eisberges: „Seit Jahren wird bei den Prüfungen manipuliert“, berichten Experten. Dabei hätte das Studium an der Polizei-Uni durchaus wissenschaftliche Normen zu erfüllen. Aber schon beim rot-grünen Vorgängersenat stand die Qualität klar hinter der Kostenfrage. Kurzerhand wurde die Ausbildungsdauer von PolizistInnen ohne Abitur den von Seiteneinsteigern mit Abitur angepasst und um ein Jahr auf vier Semester verkürzt.
Begründung: Wer zwei Jahre die Landespolizeischule durchlaufen und bereits Streifendienst versehen habe, habe genügend Grundkenntnisse. Um dies nicht durch die Praxis widerlegt zu bekommen, wurde das Niveau bei den Zugangsprüfungen rapide gesenkt. „Die Prüfungen befinden sich teilweise auf dem Niveau von Viertklässlern“, behaupten Insider. „Das führt dazu, dass viele bestehen, die eigentlich nicht studierfähig sind.“
So sei auch zu erklären, dass Studierende an die Hamburger Polizei-Uni kommen, obwohl sie in anderen Bundesländern durch die Prüfung gerasselt sind. Dennoch lag die Durchfallquote anfangs noch in dem Bereich von 40 Prozent, 2001 nur noch bei neun Prozent.
Die erste Zwischenprüfung findet nach wenigen Wochen statt, wer diese Hürde erfolgreich überspringt, hat quasi das Studium schon in der Tasche. „Denn eine Polizeiausbildung kostet die Stadt viel Geld,“ so die Fachleute. „Dann will man anschließend auch Leute haben, an denen eine Uniform hängen bleibt.“
Da ist es nach Expertenauffassung dann durchaus natürlich, dass gerade die Studierunfähigen Lösungen suchen, indem sie die DozentInnen ersuchen, ihnen die Klausurthemen zu stecken. Das liegt auch im Interesse der DozentInnen, denn eine hohe Durchfallquote wirft ein schlechtes Licht auf sie selber – im Hinterkopf die politische Vorgabe: „Hamburg braucht mehr PolizistInnen, egal auf welchem Level.“
Und wenn alle Stricke reißen, kann bei den mündlichen Nachprüfungen nachgeholfen und gut benotet werden. „Das Dunkelfeld dürfte enorm sein, vermutlich ist der Anteil der nichtmanipulierten Prüfungen gering“, sagen Insider. „Die Innenbehörde läßt die Ausbildung bewußt zur Farce verkommen.“
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