DER METALL-TARIFABSCHLUSS BRINGT ROT-GRÜN MEHR NUTZEN ALS SCHADEN: Wenigstens eine Privatkonjunktur
Vier Prozent für die einen, zweiundzwanzig Monate für die anderen. Lohnerhöhung gegen Laufzeitverlängerung, die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten gegen fester verankerte Ausstiegsklauseln – trotz des rituellen Murrens nach Abschluss eines Tarifvertrages sind beide Seiten in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie offenbar zufrieden. Und nicht nur die: Viele weitere Tarifverhandlungen in anderen Regionen und Branchen werden dadurch beeinflusst.
Die Lohnrunde 02 ist damit undramatisch angelaufen. Und das, obwohl sie unter politischen Gesichtspunkten zweifelsfrei die wichtigste der letzten Jahre war. Denn nur ein irgendwie spürbarer Aufschwung, so die gängige Meinung, kann die Schröder-Regierung noch retten. Dass er kaputtgestreikt worden sei, wie manche Hitzköpfe im Arbeitgeberlager jetzt behaupten, ist eine angesichts der Kürze und Zielgenauigkeit des Streiks nicht begründbare Behauptung. Im Gegenteil – manchen Unternehmen hat der Streik ein paar Kurzarbeitsschichten erspart. Natürlich ist jede Lohnsteigerung konjunkturdämpfend, fließt in Güterpreise und Investitionsentscheidungen ein. Aber diese Folgen des Abschlusses sind bis zur Wahl selbst dann nicht spürbar, wenn das Argument der Arbeitgeber richtig ist, dass die Erhöhungen um ein halbes bis ein Prozent oberhalb des Vertretbaren gelegen hätten – dazu ist der „unverträgliche“ Teil des Lohnsummenzuwachses viel zu niedrig.
Für die Bundestagswahl ist etwas anderes wichtig. Die 4 ist eine Zahl, die sich besser merken lässt als „3,5 Millionen“. Die Erhöhung des Lohnes ist eine sinnlichere Erfahrung als die Zunahme der Arbeitslosenzahl. Vier Prozent lösen nicht gerade Glücksgefühle aus, aber gerade angesichts der schlechten Wirtschaftslage dürften die meisten Arbeitnehmer mit dem Tarifabschluss halbwegs einverstanden sein. Ökonomisch gesehen, kann die private Konjunktur die gesamtwirtschaftliche zwar nicht ersetzen. In Wählerstimmen umgesetzt, kann Rot-Grün aber durchaus zufrieden sein. Es gibt schließlich nach wie vor mehr Arbeitnehmer als Arbeitgeber. DIETMAR BARTZ
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