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Der unsichtbare Dritte

Wo immer FDP-Prominente auftreten, ist unsichtbar einer dabei: Jamal Karsli. Er macht die Partei verdächtig, Antisemitismus einen Platz zu bieten

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

So empfindlich war die Rabaukenpartei FDP schon lange nicht mehr. Ausgerechnet Generalsekretärin Cornelia Pieper, die mit ihrem Anspruch, Ministerpräsidentin von Sachsen-Anhalt werden zu wollen, den Mund reichlich voll genommen hat, griff nach der Lektüre der FAZ empört in die Tasten. Was das denn solle, wollte sie von Herausgeber Frank Schirrmacher wissen. „Der letzte deutsche Kanzler, den nur das Charisma des Parteiführers empfahl, war Adolf Hitler“, hatte Feuilletonchef Patrick Bahners nach dem FDP-Parteitag geschrieben und gefragt: „Wie hat sich Guido Westerwelle eigentlich qualifiziert für das Amt, das er seit gestern anstrebt?“

Piepers plötzliche Dünnhäutigkeit ist wohl nicht gespielt. Während es die Liberalen als Spaßpartei zu ungeahnter Beachtung in den Medien bringen, droht die Debatte um ihre Haltung zu Israel die gelb-blaue Idylle in schmutzige Brauntöne zu tauchen. Die Namen „Hitler“ und „Westerwelle“ in einem Satz vereint sind da das Letzte, was die FDP gebrauchen kann. Doch die Parteiprominenten stoßen mit ihrer Abgrenzung zum Antisemitismus zunehmend auf Skepsis – am deutlichsten beim Zentralrat der Juden in Deutschland.

Hier, so scheint es, greift die Strategie nicht, die die FDP beim proklamierten Wahlziel von 18 Prozent und der Kanzlerkandidatur so erfolgreich angewandt hat: sich der Festlegung zu entziehen, welche liberalen Aussagen nun ernst zu nehmen sind und welche nicht. Schon seit Wochen kann FDP-Chef Guido Westerwelle sich nicht entschließen, wie er mit seinem Stellvertreter Jürgen Möllemann umgehen soll. Dieser hatte als NRW-Landesvorsitzender nicht nur Verständnis für den bewaffneten palästinensischen Widerstand geäußert, sondern auch den Übertritt des grünen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli in die FDP-Fraktion eingefädelt, nachdem der gebürtige Syrer der israelischen Regierung „Nazimethoden“ vorgeworfen hatte.

Riskant war Westerwelles Kurs der entschiedenen Unentschlossenheit von Anfang an. Der grüne Konkurrent Joschka Fischer warf ihm schon vor drei Wochen vor, die Partei von Ignatz Bubis zum antiisraelischen Sammelbecken verkommen zu lassen. Jetzt hat sich die FDP bei drei Gelegenheiten binnen 24 Stunden tiefer verstrickt.

Am Mittwochabend kam es im Berliner Adlon-Hotel zu einem Eklat, wie er für ein feierliches Dinner des Zentralrats der Juden denkbar ungewöhnlich ist. Vor einer Zuhörerschar von Joschka Fischer bis zum FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt griff Zentralratspräsident Paul Spiegel die Liberalen frontal an. Es sei „erschreckend zu sehen, wie lau, wie lasch der FDP-Chef und Kanzlerkandidat Guido Westerwelle Möllemann in die Schranken verweist“. Angestoßen von Gerhardt, ging der liberale Ehrenmann Burkhard Hirsch zum Mikrofon und verteidigte seine Partei. Spiegels Forderung mit Blick auf Karsli blieb freilich im Raum stehen: „Diese Partei sollte ganz schnell Entscheidungen fällen, die sie davor bewahren, auch nur den Anschein zu erwecken, sie biete Platz für antisemitische Einstellungen.“

Ein paar hundert Kilometer westlich fällte der Kreisverband Recklinghausen am selben Mittwochabend tatsächlich eine Entscheidung – aber nicht in Spiegels Sinne. Mit Zweidrittelmehrheit nahm der Kreisvorstand Jamal Karsli in die FDP auf. Der Zentralratsvize Michel Friedman sprach von einem „katastrophalen politischen Signal“.

Bei einem lange geplanten Gespräch der Parteispitze mit dem Zentralrat gestern Früh um 8 Uhr war dann nicht mehr viel zu retten. Fast absurd mutete die Zufriedenheit an, mit der Guido Westerwelle erklärte, man habe Missverständnisse ausräumen können. Dabei hatte Paul Spiegel nur klargestellt, er habe nie die Partei selbst als antisemitisch bezeichnet. Offenbar ist die FDP inzwischen bereits stolz darauf, nicht als Neonazitruppe zu gelten. In der Sache blieben Spiegel und Friedman hart, die Liberalen müssten sich von Karsli trennen. „Wenn Guido Westerwelle hier nicht die Notbremse zieht, hat die FDP ein großes Problem“, sagte Friedman, „ein Antisemit ist jetzt mitten unter ihnen.“

Für den Wahlkämpfer Guido Westerwelle ist Jamal Karsli inzwischen das geringste Problem. Bleibt an der Partei der Ruf hängen, antiisraelisch zu sein, rückt auch der Traum eines jeden FDP-Vorsitzenden außer Reichweite: das Außenministerium.

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