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Morgens um acht ist Europa in Japan

Das Runde der Kultur muss ins Eckige auf dem Feld: Aus Anlass der bevorstehenden Fußball-WM zeigt das Arsenal eine Reihe mit Fußballfilmen

Die Fußball-WM steht an, allerlei Nickeligkeiten sind gang und gäbe, im Strafraum gibt’s keine Verwandten, und Rudi Röller wird’s schon richten. Die Arbeitgeber haben durchgesetzt, dass nur ein Teil der Spiele übertragen wird, damit die Produktivität nicht traurig wird. Schwere Zeiten kommen auf Studenten und freischaffende Unternehmer zu. Wo’s morgens Fußball gibt, will niemand Geld verdienen. Und nach dem Fußball Mittagessen, ab ins Freibad und abends was für die Bildung tun. Kultur und Fußball sind längst keine Gegner mehr; häufig auch hört man im Fernsehen, dass die eigentliche Kultur qua Mehrheitsbeschluss eher rund ist und „ins Eckige“ rein muss, wie wir Fußballer zu scherzen pflegen.

Peter Weiss schrieb einmal den Satz „Fußball verdummend“ in seine Notizbücher 1971–1980. Das glaubt aber kaum noch jemand. Möglicherweise verblödet Fußball gar nicht, sondern verbindet die Menschen. Ob es besonders originell ist, wenn sich neben dem Fernsehen auch Opern, Galerien, Theater und Kinos dem Fußball während der WM verschreiben, sei dahingestellt; sie tun’s jedenfalls.

Das von finster blickenden Kürzungen bedrohte Arsenal zeigt zur Einstimmung auf die WM jedenfalls eine Reihe mit deutschsprachigen Filmen rund um den Ball. Die Verbindung von Fußball und Film existiert seit langer Zeit. Das schnelle Laufspiel war zunächst eine enorme Herausforderung für die trödelnden Kameraleute. „Nicht der Ball wartet auf den Spieler, sondern der Spieler wartet auf den Ball“, lautet eine von tausend Fußballweisheiten.

Wer an heutige Fußballübertragungen gewöhnt ist, wird Schwierigkeiten haben, sich anhand alter Ausschnitte ein Bild von dem Spiel etwa zu machen, bei dem sich die elf deutschen „Repräsentativspieler“ am 14. April 1911 ein 2:2 gegen England ertrotzten.

Die mediale Seite am Fußballspiel ist sowieso ganz interessant. In R.A. Stemmles Film „Das große Spiel“ von 1941 sieht man Menschen am Radio das Endspiel verfolgen. Ihre enthusiasmierten Anfeuerungen sind dabei weitaus detaillierter als die Informationen, die ihnen der Radioreporter zukommen lässt. Der Film, an dem beratend „Reichstrainer“ Herberger und einige Nationalspieler mitgewirkt haben, enthält als besondere Attraktion auf Farbmaterial gedrehte Ausschnitte des Meisterschaftsendspiels zwischen Schalke 04 und Rapid Wien.

Autor der Romanvorlage war Richard Kirn, der später jahrzehntelang eine Kolumne in dem seit 1920 erscheinenden Fußballfachblatt Kicker verantwortete. Er erinnert sich in seinen Gedankenspielen zum Thema Film und Fußball an einen stummen Vorläufer, meint aber lapidar: „Der Film ist vergessen. Er hat wohl auch nichts getaugt.“

Im Fußballfilm wie auf dem echten Feld gibt es diverse Grundthemen: das Verhältnis zwischen Mannschaft („elf Freunde müsst ihr sein“) und Einzelspieler, der sich nicht unterordnen mag („ein Fremdkörper ist ein Fremdkörper“ heißt es in „Das große Spiel“), der mittlerweile fußballtechnisch aufgeweichte Antagonismus der Geschlechter („Frauen gefährden die deutsche Meisterschaft“), von denen das eine gern den immer noch gern gebrauchten Standardsatz missachtet, wonach der Verein wichtiger sei als das persönliche Glück, und natürlich auch die ganz, ganz großen Mannschaften. Die Siebzigerjahremannschaft von Dynamo Kiew etwa, mit der sich ein schöner Dokumentarfilm beschäftigt, in dem man noch einmal den Jahrhundertlinksaußen Oleg Blochin bewundern kann, wie er sich 1975 ganz allein gegen fünf, ach was, sieben Bayernspieler durchsetzt und ein tolles Tor schießt. Es geht um den genialen Einzelspieler (George Best), um eine türkische Mädchenmannschaft aus Kreuzberg (Aysun Bademsoys zu Recht gelobter „Nach dem Spiel“) oder um die Schwierigkeit großer Spieler, mit dem Fußballspielen aufzuhören („Freundschaftsspiel“).

Wie erwartet ist Wim Wenders’ Peter-Handke-Verfilmung „Die Angst des Torwarts vorm Elfmeter“ schon in der Vorvorrunde des Fußballfilmprogramms kläglich gescheitert. Seit Jahren weiß ja jeder Depp, dass diese Angst nicht den Torwart, sondern den elfmeterausführenden Spieler quält.

DETLEF KUHLBRODT

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