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Manche wollen nur eins

Muss ein Fahrrad immer ein Zweirad sein? Es gibt Puristen, die kommen mit der Hälfte aus – und tun damit Erstaunliches. Zum Beispiel auf der eurocycle 2002, einem Einradfahrer-Contest, der an diesem Wochenende in Bremen ausgetragen wird

von DORIS FRIEDRICHS

Für die Amerikaner sei es „the impossible thing“, sagt Ernst, der sein Geld als freiberuflicher Jongleur und Einradfahrer verdient. Ein Ding der Unmöglichkeit? So ein Label wirkt herausfordernd – und wahrscheinlich ist dies schon die wichtigste Erklärung, warum Einradfahren derzeit so boomt. Nicht nur in den USA, auch hierzulande.

Ein Indiz dafür ist auch die eurocycle 2002, ein Contest europäischer Einradfahrer, der an diesem Wochenende in Bremen ausgetragen wird. Schirmherr: Henning Scherf, Bürgermeister und Fahrradfahrer (zwei Räder).

Einrad fahren sei besonders bei jungen Menschen hip, meint Günther Schumacher, Deutscher Meister im Einradfahren und einer der Organisatoren der eurocycle 2002. Er unterrichtet in mehreren Kursen an der Universität Bremen den Umgang mit dem einen Rad. Der sei gar nicht so schwer, bekundet der Könner. „Einrad fahren lernt sich etwa genauso schnell wie Fahrrad fahren.“ Einmal in der Woche Training – und nach etwa sechs Wochen soll der Eleve immerhin schon geradeaus fahren können. Danach kämen die Finessen des Rückwärts- oder Kurvenfahrens. Übung macht auch hier den Meister.

„Mit dem Einrad kann man wirklich alles machen“, schwärmt Schumacher. „Zum Beispiel Free Style oder Trials fahren. In Amerika ist das stärker verbreitet. Da treffen sich die Einradfahrer am Wochenende und fahren durch die Berge.“

Doch auch im Westerwald ist jemand unterwegs: Felix Hees, ein 18-jähriger Einradfreak, der auf seiner opulenten Website dazu Auskunft gibt (www.einrad-ist-besser-als-keinrad.de). Eigentlich sei er ja ein Trialer, also jemand, der mit seinem Einrad auf und über alles hüpft, was da so steht und liegt. Doch gerne hole er auch sein 26-Zoll-Gerät hervor, für „die kleineren Tourchen um die umliegenden Dörfer“. Auf seiner Liste der gesammelten Kommentare, die er dabei zu hören kriegt, steht dieser ganz oben: „Hey, du hast ein Rad verloren.“

Bei der eurocycle wird so was keiner sagen, dort ist man unter sich. Auch den Parcours wird niemand als sensationell empfinden. Der hat Treppen, Klötze und ähnliche Hindernisse. Zum Rauf- und Runterspringen halt. Ebenfalls im Meisterschaftsprogramm: Einradbasketball und Einradhockey. Besonders im Hockey sind die Deutschen Spitze. Über dreißig Mannschaften gibt es bundesweit. Kein Wunder, dass auch ein deutsches Team – aus Düsseldorf – den Weltmeister stellt. Nur beim Einradfußball hapert’s noch. Da sind die Japaner momentan unschlagbar.

Europas Bester im Einradfahren ist wiederum einer von hier: Arne Tilgen aus Essen. Überhaupt finde sich in Deutschland „eine starke Szene“ für diesen anziehenden Sport, erklärt Schumacher. Er werde vielerorts schon in den Schulen gelehrt oder auch im Kinderzirkus. So sind Einräder auch bereits für Fünfjährige zu haben. Das Sortiment beginnt normalerweise mit 16-Zoll-Modellen (für Beinlänge von 56 bis 73 Zentimeter) und reicht bis zu den 26-Zoll-Rädern (Beinlänge 72 bis 92 cm).

Wer sich ein Einrad zulegen möchte, muss sich also unbedingt die Beine vermessen lassen. Um die Sattelhöhe einzustellen, wird geraten, sich neben das Einrad zu stellen. Hier lautet das Regelmaß: Sattelhöhe gleich Oberkante des Hüftknochens. Bei der technischen Ausstattung des Einrads muss natürlich mit Unterschieden gerechnet werden. Pichlerrad, einer der Marktführer bei Einrädern, führt vor allem Spitzenlaufräder aus handwerklicher Produktion, aber neuerdings auch Importräder ab 95 Euro mit Vierkant-Kurbelbefestigung, 36 Speichen, Unicrown-Gabel, Alusattelklemme, Kunststoffpedalen, Bananensattel und verchromter Stahlfelge.

Ob man auf ein hohes oder eher auf ein niedriges Einrad steigt, sollte sich nach Meinung der Experten auch nach dem Einsatz richten. Wer das Einrad für die normale Anwendung oder auch für Rennen benutzen will, fahre mit dem größeren Rad besser. Es soll leichter stabilisieren und dementsprechend für das Erlernen der Technik von Vorteil sein. Für Kunstfahren, Zirkusdarbietungen oder Jonglieren wird das kleinere Rad empfohlen. Künstler Ernst hält sich jeoch nicht an diesen Rat. Er bevorzugt das Hocheinrad, die so genannte Giraffe.

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