: FDP-Konsens gestört
Zur eindeutigen Verurteilung des Rechtspopulismus kann sich die FDP-Spitze nicht durchringen. Dämpfer für linksliberale Möllemann-Gegner
BERLIN taz ■ Nach der Berliner Erklärung ist nach Westerwelles Worten offenbar wieder alles in Butter bei der FDP: Geschlossen hätten die Vorstandsmitglieder dem Rechtspopulismus abgeschworen und sich zu liberalen Werten bekannt. Doch die Harmonie täuscht: Auch nach der „Berliner Erklärung“ ringen in der FDP zwei Flügel miteinander – die Populisten und die Antipopulisten.
Nur eine Stunde nach Westerwelles Erklärung meldete sich Der FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrich Irmer zu Wort. Im Gegensatz zum Parteivorstand forderte er eine „radikale Trennung“ der FDP von ihrem Vize Möllemann. Dies sei die einzige mögliche Konzequenz, wenn die Partei aus ihrer „selbst verschuldeten Krise einigermaßen anständig“ wieder herauskommen wolle, so Irmer.
Eine Entspannung der Beziehungen mit dem Zentralrat der Juden ist Westerwelle nicht gelungen. Der Präsident des Zentralrats Paul Spiegel äußerte sich „enttäuscht und entsetzt“ über die Erklärung des FDP-Vorstands. „Der Bundesvorstand ist nicht in der Lage oder willens, die Äußerungen von Möllemann eindeutig zu verurteilen“, kritisierte Spiegel.
Den Unwillen der FDP-Granden, sich deutlicher von Möllemann zu distanzieren, bekamen auf der Vorstandssitzung besonders deutlich die überwiegend jüngeren Liberalen um Martin Matz zu spüren, die sich im Vorfeld unverblümt gegen rechtspopulistische Äußerungen gewandt hatten. Matz hatte sich gemeinsam mit 15 FDP-Funktionären in einer internen Mailaktion dagegen gewehrt, dass die „FDP von außen oder innen zu einer Partei der Populisten gemacht wird“. 400 Antwortmails habe er inzwischen erhalten, sagte Matz gestern. Auf der Sitzung allerdings habe es Kritik an der Aktion gegeben, berichtete ein Vorstandsmitglied.
Eindeutig positionierte sich auch der altliberale Flügel, gestern vertreten durch den ehemaligen Vizebundestagspräsidenten Burkhard Hirsch. Hirsch fordert vor der Vorstandssitzung gegenüber der taz eine unmissverständliche Aussage von Möllemann. „Mir reicht Möllemanns Entschuldigung bis jetzt noch nicht aus“, sagte Hirsch. Ob Möllemann sich entschuldigen müsse, sei vom Parteivorstand zwar auch diskutiert worden, sagte Exwirtschaftsminister Helmut Haussmann anschließend der taz. Die meisten Mitglieder aber hätten sich für ein Gespräch mit dem Zentralrat der Juden ohne Vorbedingungen ausgesprochen. „Hirsch wird das nicht genügen“, zeigte Haussmann sich überzeugt. Der baden-württembergische FDP-Chef Walter Döring hält Möllemanns Brief an den Zentralrat nicht für eine „echte Entschuldigung“. Möllemann selbst bekräftigte gegenüber den Kieler Nachrichten, dass er eine Entschuldigung zu seiner Aussage, Michel Friedman sei für den wachsenden Antisemitismus verantwortlich, ablehne.
Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stört sich daran, dass Möllemann mit antisemitischen Klischees operiert. „Nur wegen der Prozente darf man sich nicht mit Kräften gemein machen, die unserem politischen System zuwiderlaufen“, kommentierte sie die Strategie des Parteivizes Möllemann, des Erfinders des 18-Prozent-Wahlziels.
Doch dieses Sammelsurium von Möllemann-Gegnern spiegelt nur eine Seite der FDP wider. In der Partei ist ebenso ein Flügel zu Hause, der an Populismus nichts Schlechtes finden kann – sei es aus Kalkül heraus oder aufgrund politischer Naivität.
Möllemann-Intimus Wolfgang Kubicki sagte der taz, es gebe laut Studien ohnehin nur ein rechtsradikales Wählerpotenzial von rund 2 Prozent. Was der FDP-Fraktionschef in Kiel nicht sagte: Das Spektrum derer, die antisemitische Äußerungen tolerieren oder gar gutheißen, reicht in der Bevölkerung bis an die 30 Prozent-Marke.
Das bestätigen jüngste Umfragen. Im Streit zwischen FDPler Möllemann und Friedman stehen 28 Prozent auf Seiten Möllemanns. Kubicki plädierte für eine Art aufrechten Gang – gegenüber dem Zentralrat der Juden. Eine Entschuldigung brauche es nicht, so Kubicki. Es bestehe ein Gesprächsangebot, das könne der Zentralrat annehmen oder eben nicht.
So klare Worte kämen den Naivpopulisten nie über die Lippen. Sie stilisieren den Streit zu einer Privatfehde, die keine politischen Folgen habe. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Türk sagte der taz zur Attacke Möllemanns gegen Friedman: „Man muss auch mal aus dem Bauch heraus reagieren dürfen.“
ANGELIKA HENSOLTCHRISTIAN FÜLLER
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