piwik no script img

Er könnte ja gestürzt sein

Gegen den während des Bush-Besuchs verletzten Palästinenser hat nun die Polizei Anzeige wegen Widerstands erstattet. Die beteiligten Beamten sind ermittelt. Der Tathergang noch nicht

von PLUTONIA PLARRE

Nachfragen werden von der Justizpressestelle stets mit der Antwort beschieden: „Es wird mit Hochdruck ermittelt.“ Die Rede ist von dem Fall des 34-jährigen Palästinensers Khaled M., der am 23. Mai beim Besuch von US-Präsident Georg W. Bush von Polizeibeamten schwer misshandelt worden sein soll. Der arbeitslose Kellner hatte an der Wegstrecke des Präsidenten in Reinickendorf eine Palästinafahne hochgehalten.

Elf an dem Einsatz beteiligte Polizisten sind nach Informationen der taz inzwischen als Beschuldigte namhaft gemacht worden. Es handelt sich dabei um Angehörige einer Einheit der Direktionshundertschaft 1, (zuständig für Reinickendorf, Wedding und Pankow). 19 Passanten und Anwohner haben sich als Zeugen gemeldet. Einer hat den Vorfall sogar fotografiert.

„Das lief ab wie im Film“, sagte Khaled M., der Prellungen und einen Armbruch erlitt, der genagelt werden musste. Kaum dass er mit seiner Fahne an der Straße stand, stoppten Polizeiwagen. „Vier, fünf Beamte sind herausgestürmt und sofort auf mich losgegangen. Ohne Worte schlugen sie auf mich ein und rissen mir die Fahne weg.“ Wenig später habe ein weiteres Polizeiauto gehalten, dessen Insassen ebenfalls auf ihn eingeprügelt hätten. Mit auf dem Rücken verdrehtem Arm und unter rassistischen Beschimpfungen soll Khaled M. in eine Seitenstraße gezerrt worden sein. Wenig später fuhr Bush vorbei.

Als er aus dem Krankenhaus kam, erstattete M. Strafanzeige gegen Unbekannt. Eine Dienstnummer hatten ihm die beteiligten Beamten nicht ausgehändigt. Es kam wie es in vergleichbaren Fällen immer kommt: Der Palästinenser bekam von der Polizei eine Gegenanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Polizeipräsident Dieter Glietsch gab einige Tage später zu Protokoll, dass er den Vorfall sehr ernst nehme und größten Wert auf eine gründliche Aufklärung lege.

Nach Informationen der taz liegen den Ermittlungsbehörden zu dem Tathergang zwei unterschiedliche Versionen vor: Die des Palästinensers und die von Polizeibeamten. Für beide Versionen gebe es unbeteiligte Zeugen, heißt es. Die Version der Polizisten lautet so: Khaled M. habe heftigen Widerstand geleistet und sei einem Beamten von hinten so mit den Füßen ins Kreuz gesprungen, dass der Uniformierte zu Boden stürzte und dabei seinen Helm verlor. Es könne durchaus sein, dass beide Versionen zuträfen, meint ein Ermittler. Entscheidend sei, in welcher Chronologie sich die Dinge ereigneten. Die Fotos – auf einem befindet sich ein Beamter mit Helm in der Hand – würden da nicht weiterhelfen, weil das Entscheidende nicht zu sehen sei.

Seit kurzem liegt das gerichtsmedizinische Gutachten über den Armbruch von Khaled M. vor. Danach ist der Bruch entweder durch einen Sturz oder durch eine Überdehnung zustande gekommen. Sturz könne bedeuten, ohne Fremdverschulden gefallen oder gewaltsam niedergebracht, verlautet aus informierten Kreisen. Überdehnung, dass der Polizeigriff möglicherweise bis zum Bruch des Armes durchgezogen wurde.

„Mein Gefühl sagt mir, an dem Vorwurf gegen die Polizisten ist etwas dran“, sagt ein Ermittler. Aber selbst wenn sich der Verdacht erhärtet, überführt wären die Beamten noch lange nicht. Für jeden einzelnen müsse ein konkreter Tatnachweis geführt werden. „Sonst“, so ein Ermittler, „geht das Ganze aus wie das Hornberger Schießen.“

Khaled M. ist am Montag von der für Beamtendelikte zuständigen Dienststelle beim Landeskriminalamt (LKA) vernommen worden. Nach zwei Stunden hat er die Vernehmung auf Anraten seines Anwalts, Hans -Eberhard Schultz abgebrochen. Sein Mandat sei wiederholt mit Fragen konfrontiert worden, die auf eine Voreingenommenheit des vernehmenden Beamten schließen ließen, meint Schultz. In die Fragen seien Versionen aus der Gegenanzeige der Polizisten eingeflossen, ohne dies kenntlich zu machen. „Mein Mandant wurde zum Bespiel gefragt, warum er die Fahne nicht freiwillig herausgerückt habe. Davon hatte er zuvor aber kein Wort gesagt.“ Die Vernehmung soll nun am kommenden Freitag von der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden.

LKA-Chef Michael Haeberer wies den Vorwurf der Voreingenommenheit seiner Leute gestern mit Nachdruck zurück: „Wir haben großes Interesse daran, die objekte Wahrheit herauszufinden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen