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big in koreaFRANK KETTERER über den Kneter der Nation

Adi, Andi und die Muskulatur

Es ist hier ja viel von der deutschen Fußballhistorie die Rede, von 1986 in Mexiko zum Beispiel, als Deutschland auch ein ziemlich durchschnittliches Team am Start hatte und am Ende doch Zweiter wurde, oder gar von 1990 in Italien, als es sogar zu noch mehr reichte. Auch Adolf Katzenmeier war 1990 schon dabei – und die Geschichte, die er von damals erzählt, dreht sich um Franz Beckenbauer und Andreas Brehme, und von einem echten, lebenden Hasen. Den hatten Franz und Andi nämlich in Adis Köfferchen gezaubert, in dem sonst nur Platz ist für Salben und Sprays und Verbandsmaterial aller Art, schließlich war Adolf Katzenmeier schon damals Masseur der deutschen Nationalmannschaft. Dann täuschte Andi im Training eine Verletzung vor, Adi rannte samt Köfferchen auf den Platz, um ihn zu behandeln, klappte sein Masseurköfferchen auf – und entgegen sprang ihm der Hase. Andi, Franz und die anderen Kicker, die ein paar Tage später Weltmeister wurden, haben sich darüber natürlich halb tot gelacht, Adi hingegen war ein wenig sauer. Am nächsten Tag massiert hat er sie trotzdem.

Seit fast 40 Jahren tut Adolf Katzenmeier das nun schon: Der Republik wichtigste Kickerbeine massieren, noch der alte Sepp Herberger hatte den Mannschaftsmasseur der Frankfurter Eintracht 1963 zum DFB geholt. Adi, so könnte man sagen, ist selbst ein Stück deutscher Fußballgeschichte, auch wenn er das nicht so gerne hört, schließlich ist der 67-Jährige ja noch aktiv – auch hier in Asien. Dass er dabei kaum in Erscheinung tritt, liegt in der Natur seines Jobs, geknetet wird ausschließlich hinter verschlossenen Mannschaftshoteltüren. In der Öffentlichkeit zu sehen ist Adolf Katzenmeier eigentlich nur, wenn die Fernsehkameras eher zufällig mal über die Ersatzbank fahren oder er den Spielern Getränkefläschchen zuwirft. Der kleine, weißhaarige Mann – das ist Adi.

Manche Spieler behaupten, er könne mit seinen kräftigen und doch sensiblen Fingern Wunder bewirken. Adi selbst möchte so viel Aufhebens nicht machen. „Ich mag es nicht, wenn so viel von Wunderheilung gesprochen wird. Das, was ich mache, ist eine ganz schwere und harte Arbeit.“ Und wenn man sich die Muskelberge beispielsweise von Gerald Asamoah so ansieht, kann man sich das leicht vorstellen. „Gerald war ein besonderer Härtefall“, erzählt Katzenmeier, weil dessen Muskulatur derart hart und verkrampft gewesen sei, „dass er froh sein konnte, dass er keinen Faserriss erlitt.“

Wobei das mit dem Härtefall durchaus wörtlich zu nehmen ist, nicht nur bei Asamoah. „Hart wie eine Tischplatte“ sei die Muskulatur mancher Nationalspieler, sagt Adi und klopft dabei auf den Holztisch vor sich. Und dann knetet Katzenmeier das Holz eben weich und geschmeidig, alles mit seinen Händen, Handarbeit im besten Sinne also. „Dadurch habe ich die Möglichkeit, Veränderungen im Gewebe herauszuarbeiten, etwas aufzuspüren, was da nicht hingehört, dem Muskel seine volle Elastizität zurückzugeben, ihn locker und weich zu machen“, sagt der Kneter der Nation. „Und wenn das Muskelgewebe völlig frei ist, kann die Kraft im Spiel auch umgesetzt werden. Das ist dann Fitness.“ Und wenn zum Beispiel Michael Ballack heute spielen kann und fit ist, dann ist das zum gut Teil Adis Verdienst: Ballacks Wadenmuskel hatte ja zugemacht, wie die Sportler das nennen, und Katzenmeier mit seiner Massage ihn wieder auf.

Wobei Adi manchmal nicht nur die Muskeln der Spieler massiert, sondern ihre Seele gleich mit. Denn wenn sie da liegen, halbnackt, und geknetet werden, kann die Massagebank schnell zur Therapiecouch werden, etwa wenn der böse Trainer einen Spieler mal wieder nicht aufstellen möchte. Adolf Katzenmeier hat da schon einiges erlebt in seinem Masseurleben, schließlich ist dies schon seine sechste WM. Nur erzählen will er nichts, sehr zum Leidwesen der Journalisten. „Die Spieler wissen, dass ich nichts weitertrage“, sagt Adi.

Dafür gibt Adolf Katzenmeier wenigstens noch eine Geschichte von früher preis, 1992 bei der EM trug sie sich zu. Damals klappte Guido Buchwald bewusstlos auf dem Rasen zusammen, der Abwehrhüne hatte seine Zunge verschluckt. Katzenmeier zog sie sofort heraus, um das Ersticken zu verhindern. „Aber der Guido krampfte so stark, dass er mir fast die Finger abgebissen hätte“, erzählt Katzenmeier. Die Narbe sieht man heute noch. Adi, der Masseur, trägt sie mit Stolz.

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