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FÜR DIE USA KANN ES KEINE UNTERORDNUNG GEBEN – NUR ETWAS WILLKÜRDas Böse kann auch im Gerichtshof sitzen

Die US-Regierung hat eine Verlängerung der Friedensmission in Bosnien nur um 72 Stunden zugelassen, die um ein halbes Jahr aber verhindert. Ihr politisches Ziel: Alle US-Soldaten sollen für alle UN-Aufträge Immunität zugesichert bekommen und vom Zugriff des neuen Internationalen Strafgerichtshofes, der soeben ins Leben gerufen worden ist, ausgeschlossen sein.

Ein empörender Versuch, machen die USA doch nichts weniger, als ihre Beteiligung an den Friedenseinsätzen als Waffe zu benutzen – ein neuer Tiefpunkt des Unilateralismus unter dem polternden Präsidenten George W. Bush. Der politische Flurschaden ist enorm. Mit ihrer unverblümten Haltung belasten die Amerikaner das ohnehin angespannte Verhältnis zu Europa weiter.

Denn die USA setzen das Recht des Stärkeren über die Stärke des Rechts. Es ist gefährlich, wenn die einzig verbliebene Supermacht sich internationalen Bindungen entzieht. In den USA herrscht nicht nur die Befürchtung, dass eigene Bürger zu Unrecht für Missetaten vor ein manipulierbares Gericht gestellt werden könnten. Das Problem reicht weiter. Teile der politischen Elite in den USA sind von Hochmut befallen. Im Weißen Haus sitzen Menschen, die von der äußersten moralischen Überlegenheit ihres Handelns überzeugt sind, vor allem im Kampf gegen den Terror – und deswegen kann es für sie keine Art der Unterordnung geben. Auf Grund der militärischen Stärke der USA besitzen sie auch die Definitionsmacht für die Einteilung der Welt in Gut und Böse.

Noch vor wenigen Wochen hätte man die Entscheidung im UN-Sicherheitsrat allein auf den Widerwillen Amerikas zurückgeführt, seine Staatsbürger einer fremden Macht auszuliefern. Doch setzt sich die Bush-Regierung selbst bei der Verfolgung von mutmaßlichen Terroristen über Recht und Verfassung hinweg, indem sie sogar US-Staatsbürger zu „feindlichen Kämpfern“ erklärt und sie damit außerhalb jeder Gerichtsbarkeit stellt – ein Akt der Willkür. Präsident Bush ist vom biblischen Eifer ergriffen, „God’s own country“ und die Welt vom Bösen zu befreien. Gesetzesschranken, internationale Verpflichtungen und Rücksichtnahmen gefährden nur den Sieg. MICHAEL STRECK

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