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Sicherheitsalarm in Washington

Heute feiern die USA ihren alljährlichen Unabhängigkeitstag. In der Hauptstadt sollen 2.000 Beamte und ein Zaun die erwartete halbe Million Menschen schützen. Für viele gehören die diffusen Attentatswarnungen bereits zum Alltag

aus Washington MICHAEL STRECK

Die US-Geheimdienste fürchten einen Terroranschlag am wichtigsten amerikanischen Nationalfeiertag, dem Unabhängigkeitstag am 4. Juli. An diesem Tag verfällt das ganze Land mit Straßenfesten und Paraden in einen patriotischen Taumel. Nicht umsonst ließ bereits Filmemacher Roland Emmerich seine Außerirdischen die USA am „Independence Day“ angreifen. Zwar gibt es wie immer keine direkten Hinweise auf geplante Attentate, für FBI und Polizei gilt jedoch erhöhte Alarmstufe.

Alle Augen richten sich dabei auf Washington, wo heute das größte Open-Air-Fest des Landes steigt. Wie jedes Jahr werden eine halbe Million Menschen in der US-Hauptstadt erwarte, die sich auf der „National Mall“, dem Parkstreifen zwischen Capitol und Lincoln-Denkmal, bei Picknick und Live-Musik vergnügen. Vor allem aber, um die Höhepunkte des Tages mitzuerleben: die feierliche Verlesung der Unabhängigkeitserklärung und das berühmte Feuerwerk über dem Washington Monument. Die Besucher werden diesmal die strengsten Sicherheitsvorkehrungen vorfinden, die es hier je gab. 2.000 Beamte in Uniform und Zivil sollen in der Innenstadt patrouillieren. Ein Zaun wird die gesamte „Mall“ begrenzen. Selbst der angrenzende Potomac-Fluss ist für Boote gesperrt. Durchlass gibt es nur an wenigen Sicherheitsschleusen mit Metalldetektoren und Bombenspürhunden. Große Taschen oder Rucksäcke sind verboten. Alkoholfreies Feiern ist verordnet, denn Wein und Bier darf nur außerhalb der Sicherheitsfestung getrunken werden.

Sorge bereitet den Fahndern von CIA und FBI die Menschenansammlung – ein geeignetes Ziel für chemische oder biologische Waffen. Immer wieder kursierten Gerüchte über mögliche Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel. Rettungskräfte trainierten daraufhin Evakuierungen aus U-Bahn-Schächten.

Die Stadtväter fürchten, dass die seit Wochen durch die Regierung unablässig gestreuten Terrorwarnungen und rigiden Sicherheitsbestimmungen Besucher abschrecken könnten. Doch von Unruhe keine Spur. Die Menschen reagieren mit einer Mischung aus Trotz und Gleichgültigkeit. „Ich habe überhaupt keine Angst“, sagt Kevin Mahoney aus Pennsylvania, der fast jedes Jahr zu der Riesenspektakel nach Washington kommt. „Ich glaube, die Leute haben das Gerede über Terrorwarnungen satt.“

Für die Bevölkerung gehört die Vielzahl diffuser Hinweise über mögliche Terroranschläge auf Brücken, Atommeiler, Staudämme und Denkmäler mittlerweile zum Alltag wie die TV-Bilder aus Afghanistan. Für viele bleibt es zudem ein Rätsel, warum die Geheimdienste ihr Wissen stets öffentlich machen. Manche, wie Mahoney, vermuten Propaganda, um aus wahltaktischen Gründen möglichst lange den Eindruck aufrechtzuerhalten, dass man sich schließlich im Krieg befindet. Andere glauben, die Regierung wolle sich nach den peinlichen Ermittlungspannen bei FBI und CIA im Vorfeld des 11. September gegen zukünftige Kritik absichern und lieber eine Warnung zu viel aussprechen.

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