Rote Karte für rote Senatorin

Antirassistisches Bündnis wirft Sozialsenatorin Knake-Werner Foulspiel gegen Ausländer vor – und der PDS „dreiste öffentliche Lügen“. Abschiebehaft, Gettoisierung im Plattenbau und Chipkartenpraxis seien Fortsetzung der alten Politik

„Wir können ja ’nen Bus überfallen und Leute rausholen, damit wir fünfzig werden“, kaspert eine gepiercte Aktivistin mit pinkfarbenem Haar. Gelächter. Ein Dutzend Mitglieder verschiedener antirassistischer Gruppen steht vor dem Transparent, das an der Backsteinmauer der Senatsverwaltung in der Oranienstraße baumelt. „Weg mit den rassistischen Sondergesetzen!“, steht da rot auf schwarzem Grund. Skeptisch beäugen sieben Polizisten die Szene. Erst ab fünfzig Teilnehmern steigt die genehmigte Demo. Die Angst vor Unterzahl ist unbegründet, etwa hundert VertreterInnen von Antifa- und Flüchtlingsinitiativen finden sich später ein, um ihren Protest am rot-roten Senat zu bekunden.

Ein eigens gebildetes „Komitee zur Verleihung der Antirassistischen Roten Karte“ bastelte drei Tage lang am überdimensionalen roten Pappaufsteller, den Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner heute bekommen soll. Deren PDS habe mit Antirassismus Wahlkampf gemacht, jetzt aber sei sie bei rassistischer Gesetzgebung ganz vorne mit dabei, sagt Laudator Tom Schneider vom Komitee. Er fühle sich „derbe verarscht“. Alte Senatspolitik werde einfach fortgesetzt.

Obwohl die PDS einst im Wahlprogramm eine „Wende in der Flüchtlingspolitik“ versprach, habe es Knake-Werner nicht einmal geschafft, die Chipkarte, bargeldlose Sozialhilfe für Asylbewerber, abzuschaffen. Ein Vertrag mit der Firma Sodexho hätte im März gekündigt werden können, was der Senat angeblich wegen zu langer juristischer Prüfung verpasste. Einkaufsmöglichkeiten mit der Karte sind auf etwa 80 Partnergeschäfte beschränkt: zu wenige mit Billigpreisen, sagen Kritiker. Anwalts Liebling ist die Chipkarte nicht, dabei brauchten gerade Flüchtlinge oft rechtlichen Beistand. Außerdem führe sie in Geschäften zu Diskriminierung, erzählt Soheila Lindhorst. Die Iranerin ist im Komitee zur Unterstützung der politischen Gefangenen im Iran aktiv und begleitet oftmals Flüchtlinge bei Behördengängen und Einkauf. „Geht dahin, wo ihr hergekommen seid“ oder „Das sind alles unsere Steuergelder“ höre sie des Öfteren an der Kasse. Enttäuscht sei sie von der PDS, deren Wahlverprechen sie geglaubt habe.

Knake-Werner werde von der eigenen Verwaltung ausgebremst, kritisiert Georg Classen vom Flüchtlingsrat. Elke Breitenbach, persönliche Referentin der Senatorin, drückt sich vorsichtiger aus: „Natürlich gibt es unterschiedliche Rechtspositionen.“ Breitenbach, in Kordhose und Jeansjacke, Zigaretten drehend, sieht aus, als würde sie selbst mit demonstrieren. Sie habe die Karte stellvertretend annehmen wollen, die Initiative habe das abgelehnt. So steht sie nebendran, schaut zu und beschreibt das Dilemma ihrer Partei: „Ich hätte mir reale Politik auch nicht so schwierig vorgestellt.“

So bleibt die Karte erst mal, wo sie ist, an die schwere Holztür der Senatsverwaltung gelehnt. Zwei Arbeiter im Blaumann stehen schon bereit. „Die wird jetzt hoch ins Büro getragen, und da bleibt sie dann. Außer die Frau Knake will sie sich mit nach Hause nehmen.“ ANETT KELLER